Transparenz und virtuelle Identitaet WS1415 Aufgabe 5: Virtuelle Identität

robert.gmeiner.uni-linz, 11. Dezember 2014, 08:09

 

Artikel: 

Stieger S, Burger C, Bohn M, Voracek M. Who commits virtual identity suicide? Differences in privacy concerns, Internet addiction, and personality between Facebook users and quitters. Cyberpsychology, Behavior And Social Networking September 2013;16(9):629-634. Available from: MEDLINE, Ipswich, MA. Accessed December 3, 2014.

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Introduction

Der Einfluss des Internets auf die Gesellschaft hat im letzten Jahrzehnt stärker zugenommen als erwartet. Durch die Verfügbarkeit von Informationen hat das Internet die Kommunikation zwischen Menschen tiefgfreifend verändert. Mittlerweile nutzen wir das Internet nicht nur zur Informationssuche sondern auch für Mail, Kommunikation, Einkauf, Interaktion und zum sozialen Austausch mit Freunden. Dieser Sozialisierungsprozess im Internet wird auch Web 2.0 genannt und ist stark durch soziale Netzwerke geprägt.

Durch die Verbreitung von sozialen Netzwerken hat sich für viele Personen neben dem offline Leben auch ein zweites internetbasiertes Leben entwickelt. Der Vorteil dieser Online-Identität sind viele Angebote die im normalen Leben nicht denkbar sind, beispielsweise die Möglichkeit einfacher neue Partner zu finden, die Bewertung von Jobkandidaten, eröffnet aber auch neue Möglichkeiten für Stalking. 

Die vielen negativen Aspekte von virtuellen Identitäten haben aber auch zu einer Gegenbewegung geführt bei der viele User ihr soziales Online-Leben weider aufgeben. Benutzer die sich für die Beendigung des sozialen Lebens entscheiden verwenden oft Internet-Applikationen wie "The Suicide Machine" oder Seppukoo, wo die virtuelle Identität zerstört werden kann. Diese Tools löschen alle Accounts oder den gesamten Content (Freunde, Tweets, Pictures, ...). Diese Phänomen wird auch "Virtual Identity Suicide" Phänomen genannt.

Weitere Überlegungen in der Theorie der Forschung sind:

- Personen mit virtueller Identität werden als risikoreicher eingestuft.

- Veröffentlichung von Online-Informationen kann zu Problemen führen.

- Überlegungen zur Privatsphäre könnten der Grund zur Aufgabe der virtuellen Identität sein.

- Virtuelle Identität bzw. soziale Interaktion ist zeitaufwendig und kann zu Internetsucht führen, weil personen mit virtueller Identität den Drang haben Ihren Online-Status laufend zu checken.

Aufbauend auf diesen Überlegungen wurden in diesem Artikel folgende Hypothesen formuliert:

1. Bestimmte persönliche Eigenschaften führen zur Nutzung von sozialen Netzwerken, führen aber auch zum Verlassen von sozialen Netzwerken.

2. Persönlichen Charakteristika von Personen die sich zum virtuellen Identitätssuizied entschieden haben.

- Welche persönlichen Eigenschaften haben diese Personen im Vergleich zu Facebook Usern?
- Welche Motivation haben diese Personen ihre virtuelle Identität zu beenden?

 

Methods

Recruitment of Facebook quitters

Um diese Perosnen zu erreichen mussten verschieden Maßnahmen zur Rekrutierung eingeschlagen werden, weil diese nicht über Facebook erreicht werden. Die Hauptquelle zur Generierung von Teilnehmern war die Webseite der Online-Initiative "Quit Facebook Day".
Quit Facebook Day = 31. Mai 2010 ->34.000 Facebook Nutzer verlassen das soziale Netzwerk. Zusätzlich wurde auf Twitter mit dem Tweet #quitfacebookday nach Teilnehmern gesucht.

Recruitment of Facebook Users

Um Teilnehmer zu finden wurde der Online-Fragebogen auf diversen Portalen im Internet gepostet. Teilnehmer mussten dem Sample entsprechen.

Teilnehmer

Facebook Quitters:

  • 310 Teilnehmer, 71,5% Männer
  • durschnittlich 31 Jahre
  • 47 verschiedene Nationalitäten 
  • durschnittlich haben die Nutzer Facebook 24,8 Tage vor dem Ausfüllen des Fragebogens verlassen und dadurch im Schnitt 133 Freunde verloren. 
  • Vor dem Verlassen haben diese User Facebook im Schnitt 1,9 Stunden täglich genutzt und waren im Schnitt 26 Monate angemeldet.

Facebook Users:

  • 321 Teilnehmer, 70,5% Frauen
  • durchschnittlich 24 Jahre
  • 41 verschiedene Nationalitäten 
  • haben im Schnitt 349 Freunde und sich seit 4 Tagen im Schnitt nicht mehr auf Facebook angemeldet.
  • Die User verbringen durschnittlich 1,8 Stunden pro Tag auf Facebook und sind seit 29 Monaten angemeldet.

Material 

  • Privacy concern scale (PCS): kurzer sechsteiliger Fragebogen zur Messung von allgemeinen Fragen zum Thema Privatsphäre. Teilnehmer mussten auf fünfstufiger Skala (1=nie, 5=immer) beantworten wie regelmäßig Sie sich mit bestimmten Privatsphäre Themen beschäfitgen (z.B. Verdeckst du deine Bankomat-PIN bei der Verwendung eines Bankomaten?)
  • Internet addiction test (IA-T): 20-teiliger Fragebogen zur Messung der Internet-Sucht. Es wird befragt wie die Internet Nutzung das soziale Leben, Produktivität, Schlafgewohnheit und Gefühle verändern. 
  • Mini International personality item pool (Mini-IPIP) personality measure

Procedure

  1.  Einverständniserklärung
  2.  Demographische Daten
  3. Facebook Quitters Befragung über die Gründe zum Verlassen von Facebook 
  4. PCS
  5. IA-T
  6. Mini-IPIP

Results

  • Facebook Quitters sind älter (31 Jahre vs 24 Jahre) und männlicher (71,5% vs. 29,5%)
  • Je Älter die Teilnehmer desto besorgter sind diese über Ihre Privatsphäre.
  • Umso länger die Teilnehemr registriert sind desto realistischer sind sie Internet süchtig.
  • Kernergebnisse: Facebook Quitter haben signifikant
    • höhere Bedenken zur Privatsphäre
    • unterliegen einem höhren Risiko zur Internetsucht.
    • sind gewissenhafter als Facebook-User
  • Die persönlichen Eigenschaften von Personen stehen im Zusammenhang mit der Wahscheinlichkeit ein soziales Netzwerk zu verlassen.
  • Diese persönlichen Gründe führen zur Beendigung der virtuellen Identität
    • Der Umgang von Facebook mit persönlichen Daten (Datenschutz, Verkauf von Daten, ...) - 48,3%
    • Das Gefühl von Facebook süchtig zu werden. - 12,6%
    • Negative Aspekte die Facebook Freunde betreffen (zB Verpflichtung mit Freunden kommunizieren zu müssen).
    • Generelle Ablehnung zu Facebook (zB Monopol von Facebook, Designänderungen, ...) - 13,5%
    • Andere Motivationsgründe (zB Spam)

Diskussion

Im Vergleich zu Facebook-Usern haben Menschen die Facebook verlassen größere Sorgen über Ihre Privatsphäre, eine höhere Wahrscheinlichkeit Internet-süchtig zu werden und sind gewissenhafter.

Bei den persönlichen Eigenschaften unterscheiden sich Personen die Facebook verlassen haben sind Facebook-User gewissenhafter. In der Untersuchung wurden keine anderen Zusammenhänge von Persönlichkeitsmerkmalen mit der Motivation Facebook zu verlassen entdeckt. Eine spannende Erkenntnis ist der Fakt, dass Personen die Facebook bereits verlassen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit haben im Internet süchtig zu werden.

Ein weiterer Fakt ist, dass Leute die Facebook verlassen einfach nicht die Zeit vorfinden neben dem sozialen Leben ein zweites virtuelles Leben zu führen. 

Bezug zum Thema/Kritik/Persönliche Meinung

Kritik kann im Artikel gleich zu Beginn in der Definition von virtueller Identität geübt werden, weil virtuelle Identtät in diesem Beitrag der Registrierung auf Facebook gleichsgestellt wird. Die Definition von virtueller Identität im Blog-Beitrag von Birgit Kohl ist aus meiner Sicht besser gelungen. Eine Teil dieser Definition lautet wie folgt:

"Ein zentraler Punkt ist auch die Anonymität, da verschiedene Verhaltensmuster ausprobiert werden können ohen die eigene Identität verraten zu müssen." (Quelle: Blog-Beitrag Birgit Kohl)

Folgt man der Annahme dass bei virtueller Identität Anonymität gegeben ist und Pseudonyme verwendet werden, kann es sich im sozialen Netzwerk Facebook nicht um virtuelle Identität handeln weil laut den Teilnahmebedingungen von Facebook die Registrierung nur mit eigenem Namen erlaubt ist. Aus diesem Grund stellt sich die Frage ob ein Nutzerprofil auf Facebook nun virtuelle Identität ist oder nicht?

Ein zusätzlicher wesentlicher Kritikpunkt an diesem Aritikel ist, dass das verlassen von Facebook dem Ende einer virtuellen Identität gleichgestellt wird. Viele Nutzer entscheiden sich das größte soziale Netzwerk zu verlassen, entscheiden sich aber in anderen Netzwerken, Portalen oder Chats aktiv zu werden. Das Verlassen von Facebook kann also meiner Sicht auf keinem Fall dem Suizid der virtuellen Identität gleichgestellt werden.

Im Zusammenhang mit der Methodik muss genannt werden, dass beide Gruppen mit ungefähr 300 Personen eher klein sind und auf keinen Fall repräsentativ für mehr als 40 Länder sein können. Etwas merkwürdig erscheint auch die Zusammenstellung der Geschlechter die in beiden Gruppen völlig unterschiedlich ausfallen. Zusätzlich wurden die Teilnehmer für beide Gruppen online gesucht, Personen die IHre virtuelle Identität also tatsächlich vollständig aufgegeben haben können in diesem Sample also nicht inkludiert sein.

Was aus meiner Sicht in diesem Artikel auch nicht behandelt wird ist die Fragestellung ob die virtuelle Identität der Identität im tatsächlichen Leben entspricht. In weiterer Folge wäre interessant ob dass ein entscheidender Grund sein kann wie realistisch es ist Facebook zu verlassen. Eine Annahme könnte sein, dass Leute die eine eigene virtuelle Identität haben Facebook sehr schnell verlassen und mit einer neuen Identität wieder starten.

Der Bezug zum Thema virtuelle Identität besteht in diesem Artikel hauptsächlichwie schnell die virtuelle Identität beendet werden kann. Die oben angeführten Tools scheinen es auf relativ einfachem Weg zu ermöglichen Accounts und Content von sozialen Netzwerken zu löschen. Die virtuelle Identität einer Person kann also relativ einfach ausgelöscht werden. In Zeiten von Big Data ist allerdings zu hinterfragen ob es tatsächlich so einfach ist alle Informationen zu löschen. Im realen Leben wäre die Auslöschung der Identität auf jeden Fall nicht so einfach möglich.

 

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