Transparenz und virtuelle Identitaet Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers

magdalena.bieregger.uni-linz, 15. Mai 2018, 07:45

 

 

Der Artikel beschäftigt sich mit der Funktionsweise, der Marktentwicklung und möglichen Zukunftsperspektiven des Distributed Ledgers. Eingegangen wird dabei im Besonderen auf die möglichen Revolutionen im Finanzsektor, denn virtuelle Währungen wie Bitcoins funktionieren auf Basis dieser Distributed Ledger- bzw. Blockchain-Technologie.

Grundsätzlich können Kryptowährungen völlig anonym verwahrt, übertragen oder in klassische Währung getauscht werden, wobei jedoch der Verdacht entsteht, Geldwäsche zu betreiben. Die EU-Kommission hat aufgrund dessen auch schon angekündigt künftig Betrreiber von Umtauschplattformen und Anbieter von elektronische Geldbörsen unter die 4. Geldwäscherichtlinie zu setzen. Dadurch würde jedoch die bisherige Anonymität bei der Nutzung virtueller Zahlungsmittel entfallen.

Der Distributed Ledger gilt als dezentrales Hauptbuch für Transaktionskonten. Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers werden in öffentlichen Debatten jedoch nicht ausreichend differenziert.

 

Bitcoins und Blockchain im Überblick

 

Bei der Verwendung von Kryptowährungen werden die Zahlungen in einer transparenten direkten Verbindung zwischen Sender und Empfänger abgewickelt, ohne einem Finanzintermediär, was somit eine anonyme Transaktion verspricht. Mittels Kryptographie werden in sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerken Verschlüsselungstechniken mittels eins dezentralen Rechnernetzwerks geschaffen was sichere und kostengünstige Transaktionen ermöglicht. Alle Transaktionen werden in einer Datenbank abgebildet und verknüpft zu Blöcken zusammengefasst, so dass eine lückenlose und fälschungssichere Abfolge von Transaktionsblöcken entsteht. Für jeden Teilnehmer des Netzwerks sind sämtliche Transaktionen der Blockchain unverfälscht einsehbar. Allerdings bleiben für Außenstehende die Besitzer virtueller Geldeinheiten anonym.

 

Marktentwicklung und Perspektiven

Wie die Abbildung zeigt, belief sich im Jahr 2014 die durchschnittliche Anzahl an Bitcoin-Transaktionen pro Tag lediglich bei ca. 25 000 Einheiten. Im Vergleich zu Kreditkartensystemen wie Visa die fast 100 Mrd. Transaktionen verzeichnen, ein sehr geringer Wert. Insgesamt scheint die Wachstumsdynamik und die Diffusionsgeschwindigkeit von Bitcoin somit zu gering, als dass es in absehbarer Zeit zu einer Bedrohung etablierter Zahlungssysteme kommen könnte.

Ein weiterer Grund ist auch das Fehlen einer zentralen Instanz (wie bspw. Die Notenbank bei der physischen Währung) die mit Geldpolitik für Preisstabilität und somit Glaubwürdigkeit und Wertbeständigkeit der Währung sorgen könnte. Die Anonymität virtueller Währungen gilt als zentrale Barriere für die breite Akzeptanz, da in einem anonymen Netzwerk bei Diebstahl oder Hackerangriffen kaum jemand identifiziert oder strafrechtlich verfolgt werden kann.

 

Disruption durch Distributed Ledgers

Die Blockchain stellt nur eine Variante der Distributed-Ledger-Technologie dar. Grundsätzlich versteht man unter Distributed Ledgers dezentrale Kontoführungssysteme, bei denen digitale Daten gemeinsam genutzt, repliziert und synchronisiert werden. Dabei helfen kryptografische Verfahren für eine fälschungssichere Abbildung der Transaktionen. Mit dem sogenannten Proof-of-Work-Verfahren werden die Transaktionen zu Blöcken verbunden und abgebildet, dann spricht man von einer Blockchain. Kryptowährungen liegen öffentliche Distributed Ledgers zugrunde, die grundsätzlich jedem Nutzer offenstehen, der über die erforderliche Software verfügt. Weil öffentliche Distributed Ledgers wie beim Bitcoin und die damit einhergehende Anonymität in Bezug auf Geldwäsche kritisch gesehen wird, erscheinen geschlossene erfolgversprechender.

Sie werden auch als „private“ Distributed Ledgers bezeichnet und sind auf eine bestimmte Zahl von Teilnehmern vordefiniert wie beispielsweise auf eine Firma, die EU oder auf den Österreichischen Staat.  Mit Verschlüsselungstechniken können fälschungssichere Transaktionen in Echtzeit erfolgen. Die Teilnahme erfolgt über ein Proof-of-Identity-Verfahren, bei dem sich jeder Teilnehmer einem Registrierungsprozess unterzieht. Eine Herausforderung ist es jedoch den Zugang so zu gestalten, dass Transparenz und Überprüfbarkeit der Datenbankeinträge sowie auch der Anspruch auf Datenschutz berücksichtigt werden kann. Zu erwarten ist, dass Branchen, die sehr transaktions- und informationsintensiv sind durch die Anwendung von Distributed Ledgers einer disruptiven Veränderung ausgesetzt werden. Beispielsweise im Finanzsektor das sogenannte „Transaction Banking“. Man versteht darunter Dienstleistungen, die von Banken bei der Abwicklung von Zahlungsverkehr, Devisen- und Wertpapieraktionen erbracht werden.

 

Zahlungsverkehr

Abwicklungen des Zahlungsverkehrs in der Eurozone benötigen bei Überweisungen in der Regel einen Tag. Diese Settlement Fristen können allerdings deutlich länger werden, wenn es sich um eine internationale Überweisung handelt. Die Distributed-Ledger-Technologie könnte ähnlich wie im Bitcoinnetzwerk auch Zahlungen in klassischen Währungen grenzüberschreitend in nicht anonymen Peer-to-Peer-Netzwerken in Echtzeit direkt zwischen den Vertragsparteien durchgeführt werden, ohne weiterem Intermediär.


Wertpapierdienstleistungen

Bei Wertpapierdienstleistungen sind es die Nachhandelsaktivitäten in denen erhebliche
Effizienzsteigerungen erwartet werden. Zurzeit beträgt die Abwicklungsdauer im Aktienhandel zwischen den beteiligten Banken, Brokern, Zentralverwahrern Clearinghäusern, Verwaltern von Sicherheiten und Korrespondenzbanken zwei Tage.

Die Distributed-Ledger-Technologie kann diese Prozesse deutlich verschlanken, wenn es gelingt diese Wertpapiertransaktionen mit Hilfe kryptografischer Verfahren fälschungssicher in Echtzeit zu übertragen. Diese Entwicklung würde dazu führen, dass die Banken nicht mehr benötigt werden, denn Dividenden- oder Couponzahlungen können über Smart Contracts als Anwendung auf der Blockchain ebenfalls automatisiert werden.


Smart Contracts

Sie sind die digitale Abbildung von vertraglichen Vereinbarungen. Smart Contracts ermöglichen die automatische Auslösung von einer Aktivität, wenn diese an bestimmte vertragliche Bedingungen geknüpft ist. Beispiele dafür sind Zins- und Tilgungszahlungen, Kaufpreisnachlässe, Gutschriften oder auch die automatische Anpassung von Versicherungsprämien in Abhängigkeit von der Schadenshistorie. Außerhalb des Finanzsektors können auch Immobilien, Maschinen und Anlagen oder der Transfer von immateriellen Vermögensgegenständen wie beispielsweise geistige Eigentumsrechte übertragen werden. Wenn materiellen Vermögenswerte über Sensoren, RFID-Transponder, QR-Code oder IP-Adresse elektronisch erfasst werden können Übertragungsvorgänge digital in einem Distributed Ledger wie zB. Der Blockchain abgebildet und nachverfolgt werden.


Smart Government

Immobilientransaktionen oder beim Verkauf von Unternehmen können Notariatsdienstleistungen kryptografisch gelöst werden. Distributed Ledgers können administrative Prozesse im öffentlichen Dienst verschlanken, wenn zB. alle steuerrelevanten Daten von Privatpersonen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in einer dezentralen Datenbank bereitgestellt und fälschungssicher in Echtzeit zugeordnet werden.
Steuerhinterziehungen währen damit erheblich erschwert, Steuererklärungen könnten leichter oder durch intelligente Apps automatisch erstellt werden.  Die Führung von Grundbücher bietet sich neben zahlreichen Dienstleistungen der Standesämter ebenso für mögliche Blochchain Lösungen an.


Smart Health

Auch im Gesundheitswesen könnten Patientendaten oder Behandlungsverläufe in einer dezentralen Datenbank allen Kliniken, Ärzten und Versicherungen zur Verfügung gestellt werden. Die Zugangsrechte könnten aus datenschutzrechtlichen Gründen beim Patienten verbleiben und Daten für Forschungsprojekte in anonymisierter Form rasch und umfassend bereitgestellt werden.


Distributed Ledgers können mehr

In Verbindung mit Smart Contracts könnte auch die Entwicklung der Industrie 4.0 gefördert werden indem die virtuellen und physischen Systeme zu sogenannten Cyber Physical Systems verschmelzen. Produkttransparenz durch das zuverlässige erfassen von Herkunft, Echtheit, Qualität oder der Einhaltung von Umweltstandards ist möglich. Beispielsweise in der Lebensmittelbranche kann der Nachweis biologischer Anbauformen, in der Rohstoffindustrie die Überprüfung der Abbaurechte oder in der Textilindustrie die Überprüfung  der Arbeitsbedingungen in den Herstellerländer nachgewiesen werden. In allen genannten Fällen ist es denkbar die Erzeugung, den Transport und die Weiterverarbeitung von Erzeugnissen lückenlos und fälschungssicher in einem Distributed Ledger zu dokumentieren. Auch hier wäre die Fälschung von Herkunftsangaben, sowie die Nicht-Einhaltung von Qualitätsstandards oder eine unsachgemäße Entsorgung von Reststoffen erheblich erschwert.

 

Fazit

Ich habe den Artikel gewählt, weil ich der Meinung bin, dass gerade der Finanzsektor ein enormes Disruptionspotential aufweist und ich mich speziell für die kommenden Veränderungen interessiere. Es wird oft davon gesprochen, dass Kryptowährungen die herkömmlichen Zahlungsmittel ersetzen werden und Banken als Intermediäre nicht mehr gebraucht werden. Der Artikel bestätigt mit der Distributed Ledgers Technologie die Potenziale, welche im Finanzsektor möglich sind. Im Bereich des „Transaktion Banking“ steht für mich außer Frage, dass Zahlungen in Zukunft über ein dezentrales Netzwerk in Echtzeit durchgeführt werden. Hier steht natürlich in erster Linie nicht die Transparenz und Anonymität im Vordergrund, sondern viel mehr die zuverlässige und zeitnahe Settlementtime Erreichung bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Jedoch ist durch einen möglichen Wegfall der Finanzintermediäre tatsächlich auch mehr Anonymität gegeben und die Transaktionen an sich werden immer transparent nachverfolgt werden können. Doch auch Smart Contracts können mit Transparenz und Zuverlässigkeit punkten. Der nicht verfälschbare Kontraktablauf oder die automatische Anpassung von Versicherungsprämien sind hierfür das beste Beispiel.

Künftige smart Government Aktionen hingegen sehe ich sehr kritisch. Durch das transparente administrieren sämtlicher Bürgerdaten kann ein ganzer Staat in vielen Bereichen „gläsern“ gemacht werden. Hingegen klingen Smart Health Revolutionen vergleichbar „Datensicher“. Durch die Vergabe der Zugangsrechte durch den Patienten, kann der Schutz sämtlicher Gesundheitsdaten anonym bleiben und dennoch in anonymisierter Form an die Forschung abgegeben werden.

Ein großes Highlight bietet auch die Implementierung in die Supply Chain. Durch die Möglichkeit, die Einhaltung verschiedener Standards, Rechte sowie der Herkunft lückenlos und fälschungssicher zu dokumentieren ist eine absolute Produkttransparenz möglich. Das nicht einhalten verschiedener Qualitätsstandards oder unsachgemäße Vorgänge können erheblich erschwert werden – was quasi auch eine Kontrolle der Produzenten bedeutet.


 

 

Quelle: Brühl, V. (2017): Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers, Funktionsweise, Marktentwicklungen und Zukunftsperspektiven, in Wirtschaftsdienst, Volume 97, Thema 2, S. 135–142 DOI: s10273-017-2096-3.

5 comments :: Kommentieren

Finanzsektor

marian.limberger.uni-linz, 15. Mai 2018, 09:52

Ich bin auch davon überzeugt, dass der Einsatz der DLT im Bereich der Wertpapierabwicklung eher früher als später Einzug halten wird, da gerade in diesem Fall sehr viele Intermediäre tätig werden müssen. Dabei können sowohl Kosten gespart werden, als auch die Effizienz und Durchführungsgeschwindigkeit erhöht werden. Grundsätzlich wäre es  möglich den gesamten Wertpapierlebenszyklus durch einen Smart Contract abzubilden, sodass kein externes Eingreifen von der Ausgabe bis zur Rückzahlung mehr notwendig wäre. Allerdings wird die rasche Umsetzung eher an den Intermdiären scheitern, da sich alle über die Einführung der DLT einig sein müssten. 

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susanne.groiss.uni-linz, 16. Mai 2018, 20:26

Ich denke auch, dass in Zukunft viele Prozesse im internationalen Geldtransfer, Handelsgeschäften und Wertpaperhandel, die aktuell noch manuell abgewickelt werden, und doch umständlich und kosteninetnsiv sind mithilfe der Blockchain automatisiert und effizienter gestaltet werden können. Aber damit das Blockchain-Konzept funktioniert, müssen sich Banken allerdings auf Standards einigen. Sie werden eine gemeinsame Lösung finden müssen. 

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und die Regulierung?

magdalena.bieregger.uni-linz, 17. Mai 2018, 14:13

Ich stimme dir zu, jedoch hat es etwas Wahres wenn behauptet wird, dass aufgrund der fehlenden zentralen Instanz die aufgrund der Dezentralität keine Nachverfolgungen in Straffällen durchführen kann. Eine Unruhe am Markt ist dadurch jedenfalls zu spüren

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Blockchain-Technologie wirklich notwendig?

gertrude.dienstl-ottensamer.uni-linz, 16. Mai 2018, 15:19

Benötigt man für diese Anwendungsgebiete tatsächlich die Blockchain-Technologie. Gibt es vielleicht nicht andere technische Lösungen. ZB im Zahlungsverkehr war es bis vor kurzem nicht möglich, dass Geld innerhalb von einem Tag überwiesen wird - das geht bereits.

Im Gesundheitsbereich gibt es zukünftig ELGA, die Patientendaten, Arzbriefe, etc. speichern soll.

Ich denke daher, dass es oftmals an den Institutionen selbst bzw. deren Eigeninteressen scheitert, dass technologischer Fortschritt nicht vorangetrieben wird. Banken können dann nicht mehr mit dem Geld "arbeiten"; Spitäler können dann nicht mehr das mehrfache Röntgen bei einem Beinbruch rechtfertigen ...

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Ist der Geldtransfer mit Bitcoins wirklich anonym?

georg.pilsner.uni-linz, 17. Mai 2018, 00:06

Wie auch der Artikel angibt, wird die Zahlungsmethode mittels Bitcoins immer als völlig "anonym" bezeichnet. Doch ist es nicht so, dass diese Anonymität ledlich in "Blockchain"Sphäre  vorhanden ist? Denn sobald die Zahlungsflüsse nach drausen gehen, sprich die Coins in reales Geld eingetauscht werden , steht hinter dem Empfänger ja eine Identät. Es gibt auch dazu schon zahlreiche Artikel, Beiträge in Fachjournalen und Tech-Blogs die eben beschreiben, dass mit etwas Rechenleistung und Analysetools die Identäten der Personen, die hinter den Zahlungsflüssen stehen,  ausgeforscht werden können. D.h. eigentlich garantiert dann doch wieder nur Bargeld die völlige Anonymität ;-) Nichts destotrotz haben Kryptowährungen wie Bitcoins aber eh andere Vorzüge gegenüber traditionellen Banküberweisungsgeschäften.

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