Führung 4.0

gertrude.dienstl-ottensamer.uni-linz, 26. April 2018, 23:15

Pundt, L./Greve, A. (2017): Neue Führung braucht das Land. Herausforderungen der Organisation 4.0. In: OrganisationsEntwicklung. Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Mangement. Nr. 2/2017, S. 14-20

 

Zusammenfassung des Artikels

Führung im Wandel der Zeit

Die Rolle der Führungskraft ist ein häufig diskutiertes Thema und ist aufgrund der Digitalisierung wieder im Wandel. Standen früher hierarchische Modelle inkl. der Beeinflussung und Kontrolle von Mitarbeitern im Mittelpunkt so wandelt sich diese in Richtung Netzwerke, agile Teams und kooperativer Austausch. 

Eine Führungskulturstudie "Gute Führung" aus dem Jahr 2014 zeigte, dass ein Wandel von "starken Führungspersönlichkeiten" in den 50er bis 80er Jahren über die "effiziente Zielerreichung" in den 90er Jahren hin zu zu agilen, sich selbst organisierenden Netzwerken von statten geht. Steuern, regeln und kontrollieren ist aufgrund der Schnelllebigkeit und der geringen Planbarkeit der Geschäftstätigkeit kaum mehr möglich. Weshalb auch Methoden wie Anweisungen, Zielerreichung, Controlling und starre Hierarchien als nicht mehr zeitgemäß angesehen werden. Vielmehr werden zukünftig selbstorganisierende Netzwerke, bewegliche Führungsstrukturen, wechselnde Teams und individuelle Zeiteinteilung eine Rolle spielen.

 

Digital Leadership in der Industrie 4.0

Wenn sich dir Organisationsstrukturen hin zu agilen, sich selbst organisierenden Teams entwickeln, muss auch das Führungsverständnis sowie das Rollenbild der Führungskraft neu definiert werden. Dies fordert neue Leitlinien ua bei

  • Entscheidungsprozessen: weg von Delegation und Kontrolle hin zu Abstimmung und Reflexion
  • Informationsweitergabe: weg von selektiver Informationsweitergabe hin zu vollständiger Information in Echtzeit
  • Fehlerkultur: weg von Regelwerken und Konsequenzen hin zu Lernfortschritte und Unterstützung

 

Dementsprechen ändert sich auch die Rolle der Führungskraft: Sie wird zum

  • Facilitator: Die Führungskraft fördert durch persönliches vorbildiches Handeln die Kultur des Teilens und der Transparenz, die Grundlagen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind.
  • Virtual Leader: Die Führungskraft kann digital kommunizieren und Beziehungen über digitale Kanäle aufbauen. Die Führungskraft kann sich klar ausdrücken und managt aktiv soziale Beziehungen
  • Primus inter Pares: Die Führungskraft wird zum Kollegen, wobei die Führungsrolle nicht aufgegeben wird. Die Führungskraft ist Dienstleister und Mentor der Mitarbeiter und schafft den Rahmen für die erfolgreiche Zusammenarbeit, um Ziele zu erreichen

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Führungskräfte der Industrie 4.0 vor allem durch eine kollegiale Führung, Transparenz und offene Kommunikation überzeugen. Sie geben Freiräume, berücksichtigen die persönliche Lebenssituation und gehen wertschätzend mit Mitarbeitern um. Sie fördern die individuelle Entwicklung ua durch eine offene Fehlerkultur und kooperieren über Systemgrenzen hinweg.

 

Wie solche neuen Führungsrollen in der Praxis aussehen können, zeigen folgende zwei Beispiele:

Hierarchiefreie Teams bei der Deutschen Bahn

Seit 2016 arbeitet bei der Deutschen Bahn ein selbststeuerndes Team im Bereich Kundenservice. Acht Mitarbeitern wurde ein übergeordneter Rahmen vorgegeben (zB Öffnungszeiten, gemeinsame Entscheidungsfindung, keine Hierarchie im Team, etc.), innerhalb diesen regeln sie ihre tägliche Arbeit. Die Führungskraft hat eine beratende Funktion und ist für die Einhaltung des Arbeits- und Umweltschutzes zuständig sowie Anlaufstelle für nicht lösbare Konflikte. Positiv wurde seitens der Deutschen Bahn die höhere Effizenz des Teams (zB aufgrund von Prozessverbesserungen), die verbesserte Innovations- und Fehlerkultur (probierten Neues aus) sowie den stärkeren Zusammenhalt.

Neue Leitlinien für Führung und Zusammenhalt bei Otto

Aufgrund der Digitalisierung und dem damit zunehmenden Wettbewerbsdruck waren hierarchische Strukturen nicht mehr zeitgemäß bzw. können diese Herausforderungen nur mehr von crossfunkationalen Teams erledigt werden. Dies erfordert ein neues Rollenverständnis der Führungskraft. Bei Otto wurde daher ein neues Führungsverständnis und dazu passende Führungsrollen ermittelt: Vorbildrolle, Stratege,Talentmanager & Coach, wirksamer Umsetzer, Komplexitätsmanager, Transparenter Vernetzer & Kommunikator sowie Change Manager & Innovator, wobei die letzten drei Rollen im Bereich Digital Leader die größte Bedeutung spielen.

Weiters wurden drei Anforderungen an die digitale Welt herausgearbeitet:

  • Netzwerke stärken (Bereichsübergreifende Lösungen, Kommunikation fördern)
  • Fehlerkultur ernst nehmen (Bestehendes in Frage stellen dürfen & Fehler zulassen)
  • Experten stärken (Dialog mit Experten fördern; Status und Hierarchie zweitrangig)

 

Fazit der Autoren

Die Autoren erwähnen selbst, dass es in Unternehmen nicht reicht, dass einzelne Führungskräfte ein neues Führungsverständnis haben. Vielmehr ist eine Änderung der gesamten Führungskultur notwendig, um nachhaltige Veränderungen im Unternehemen zu erzielen.

 

Schlussfolgerungen und eigene Meinung

Ich habe den Artikel gewählt, weil ich denke, dass Unternehmen im digitalen Zeitalter neue Organisationsstrukturen und ein neues Führungsverständnis brauchen. Die Schnelllebigkeit der digitalen Welt benötigt meiner Meinung nach sehr wohl langfristige Pläne oder eine Art Vision wohin es gehen soll. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, einen Rahmen abzustecken, der einen gewissen Spielraum zulässt.

Ich  kann deher dem oben Erwähnten zustimmen, dass die "effiziente Zielerreichung" überholt ist bzw. von agilen Methoden abgelöst wird. Ob agile Strukturen tatsächlich in jedem Unternehmen umgesetzt werden können, ist fraglich. Denn dies hängt einerseits vom Management ab, aber auch von den Menschen selbst. Diese agilen Methoden erfordern auch von den Mitarbeitern ein erhöhtes Maß an Selbstbestimmung und Selbstverantwortung.

Die Rolle der Führungskraft in diesen Teams ist meiner Meinung nach sehr komplex insbesondere dann, wenn diese Kollegin/Kollege und Führungskraft in einer Person sein sollen. Lässt sich das wirklich vereinbaren?

 

 

5 comments :: Kommentieren

Schwarmintelligenzen

magdalena.bieregger.uni-linz, 1. Mai 2018, 20:26

Ich bin auch der Meinung, dass es einer grundlegenden Änderung der Führungsprinzipien erfordert. Gerade weil sich die "Berufe" eher weg von mechanischen hin zu mehr geistigen entwickeln, ist die Zusammenarbeit verschiedener "Schwarmintelligenzen" die neue Herausforderung.

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Führungskraft = Kollege

marian.limberger.uni-linz, 2. Mai 2018, 07:20

Ich bin auch der Meinung, dass die Führungsrolle im herkömmlichen Sinn überholt ist. Allerdings stehen gerade bei Modellen, wie dem Prinzip, dass die Führungskraft gleichzeitig Kollege ist, Interessenskonflikte im Wege. So soll dem "Kollegen" eine unangenehme Aufgabe angeordnet werden, überlegt man sich das als "Kollege" eher, ob es wirklich notwendig ist, ob das nicht ich selbst auch machen kann. Dies passiert nicht bei mehr Abstand zum Mitarbeiter. Weiters muss noch festgehalten werden, dass Führungskräfte im Unternehmen mehr und bessere Informationen erhalten, als normale Mitarbeiter. Auch das bringt die Führungskraft in einen Interessenskonflikt. Diese emotionale Nähe zum Mitarbeiter bewirkt oft Stress bei Führungskräften.

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christina.pillmair.uni-linz, 2. Mai 2018, 18:53

Finde ich einen super Ansatz und bin ganz deiner Meinung was neue Organisationsstrukturen anbelangt. Bei großen Unternehmen mit 100 000 und merh Mitarbeitern weltweit ist allerdings eine agilerer Organisationsstruktur sehr schwer umzusetzen. Denn auch Standortleiter sind nur ein Glied in einer langen Management Kette, die ebenfalls Anweisungen vom Top Management befolgen müssen. Aber auch in dieser Größenordnung muss man den Führungsstil überdenken und den Mitarbeitern mehr Vertrauen schenken, dass sie sich beispielsweise selbst organisieren können. 

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no ranks, no titles

georg.pilsner.uni-linz, 2. Mai 2018, 22:19

Passend dazu wurde in dem Bericht den ich zu diesem Thema zusammengefasst habe das Beispiel des Textilherstellers W.L. Gore genannt, in dem es  keine klassische Führungs-Hierarchie und auch keine fix installierten Chefs gibt. Die einzelnen Teams origanisieren sich mehr oder weniger selbst und es "führt" jener Kollege das Team an, der die meisten Kompetenzen hat zu erledigung der Aufgabenstellung. Hier auch ein Artikel - zwar schon etwas älter - der diese neue Art der Führung beschreibt:

https://www.welt.de/wirtschaft/article142907029/Die-seltsamste-Firma-in-Deutschland-kommt-ohne-Chef-aus.html

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Digitalisierung = Dezentralisierung ?

michael.kronsteiner.uni-linz, 3. Mai 2018, 15:06

Im Beitrag wurde vermehrt auf agile und sich selbst organisierende Teams verwiesen, wodurch auch die Hierarchie und die damit verbundenen Führungskräfte neu definiert werden - oder vielleicht sogar (aufgrund von fehlender Expertise im Tätigkeitsbereich) verblassen. Meine Annahme ist, dass der digitale Wandel einen steigenden Trend der Dezentralisierung mit sich bringt und somit die Aufgabengebiete grundsätzlich auch den Projektteams obliegt - bei Problemen und Fehlern sind die Beteiligten auch die ersten, die an Lösungsansätzen arbeiten - Stichwort: Entscheidung, Informationsweitergabe und die eigenständige Fehlerkultur. Die Digitalisierung aktiviert vor allem die Flexibilität, das situationsabhängige Improvisieren, sowie das Anpassen & Adaptieren - ich glaube allerdings, dass dieser Trend eher bei den Projektarbeitern und weniger bei den Führungspositionen zu finden ist - bzw. dass "Führung" andere Umstellungen erfährt.

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