Blockchain and Supply Chain Transparency

gertrude.dienstl-ottensamer.uni-linz, 16. Mai 2018, 22:29

 

Francisco, K./Swanson, D. (2018): The Supply Chain Has No Clothes: Technology Adoption of Blockchain for Supply Chain Transparency. Logistics 2018, 2,2. S. 1-13. DOI: 10.3390/logistics2010002

 

Zusammenfassung des Artikels

Einleitung

Der Artikel handelt davon inwieweit die Blockchain-Technologie, die zurzeit vorwiegend vom Finanzsektor genutzt wird, auch auf Supply Chains anwendbar ist. Im Vordergrund steht dabei der Gedanke, dass Konsumenten immer öfter „nachvollziehbare“ bzw. transparente Produkte fordern wie zB Fisch aus nachhaltiger Fischerei oder Juwelen aus Nicht-Kriegsgebieten. Die Blockchain-Technologie soll hierbei für mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit sorgen und das in Kombination mit weiteren Vorteilen wie sichere Transaktionen, schnellere Prozesse mittels smarter Verträge, etc.  Da es sich bei dieser Technologie um eine relativ junge Technologie handelt, gibt es noch kaum Studien darüber, ob diese für Supply Chains adaptiert werden kann. Basierend auf der „Unified Theory of Acceptance and Use of Technology” sowie der Theorie über das Vertrauen in Informationstechnologie wird ein Modell für die Akzeptanz der Nutzer von Blockchain-Technologien in der Supply Chain erstellt.

 

Literaturüberblick

Blockchain

Blockchains organisieren und teilen digitale Daten. Diese Daten (materielle und immaterielle Güter) können mit Hilfe der Blockchain registriert, nachvollzogen und gehandelt werden. Die Nachvollziehbarkeit kann durch Tracking-Technologien wie RFID, NFC etc. gewährleistet werden. Weiters können aufgrund der Digitalisierung der Daten Algorithmen und Programme erstellt werden, die teilweise oder ganz selbstständig, dh ohne menschliches Zutun, ausgeführt werden. Bei solche „smarten Verträgen“ werden basierend auf zuvor ausverhandelte Konditionen bzw. Auslöser automatisch Aktionen durchgeführt zB Transaktionen.

Da der Materialfluss innerhalb der Supply Chain als linear angesehen wird, ist die Blockchain ein passende Technologie um die Nachvollziehbarkeit von Produkten zu gewährleisten.

Zurzeit befinden sich einige wenige Applikationen für Supply Chains, die auf der Blockchain-Technologie aufbauen. Zu erwähnen sind zB Ethereum für die Nachverfolgung von Thunfisch oder Everledger für Diamanten.

 

Supply Chain Transparenz

Ähnlich wie bei der Nachvollziehbarkeit ist auch die Transparenz bzw. die Verfügbarkeit von Informationen für den Endverbraucher bzw. Firmen entlang der Supply Chain relevant. Dabei werden drei Grade der Informationsweitergabe unterschieden:

  • Opaque: Informationen sind geheim und werden nicht geteilt
  • Translucent: nur bestimmte Informationen werden geteilt – „black box“; auch taktische Informationsweitergabe möglich
  • Transparent: alle relevanten Informationen werden geteilt

Transparenz innerhalb der Supply Chain wird bereits jetzt als Wettbewerbsvorteil insbesondere bei Markenprodukten gesehen und wird gezielt eingesetzt um Konsumenten zu beeinflussen aber auch um sich vom Mitbewerb abzugrenzen. Modelle / Standards, die von Unternehmen verwendet werden, um die Nachvollziehbarkeit von Produkten zu gewährleisten, sind zB

  • Product Segregation Model: zertifizierte und nicht-zertifizierte Materialien werden nicht vermischt zB Fairtrade Kaffee
  • Mass Balance Model: zertifizierte und nicht-zertifizierte Materialien werden vermischt, da die Trennung schwierig oder unmöglich ist zB Baumwollgarn
  • Book and Claim Model: Nachvollziehbarkeit an jedem Punkt der Supply Chain nicht möglich. Das Modell basiert auf den zu Beginn produzierten zertifizierten Materialien und zuletzt verkauften zertifizierten Produkten. Nachhaltigkeitszertifikate werden gehandelt (UTZ Certification)

 

Konzeptionelles Modell

Die Blockchain-Technologie soll eine weitere Möglichkeit sein, die Nachvollziehbarkeit von Produkten zu gewährleisten. Ob diese nun von den Unternehmen als relevante Technologie angesehen wird oder nicht soll mit Hilfe eines Modells geklärt werden.

Generell kann gesagt werden, dass neue Technologien nur dann eingeführt werden, wenn diese signifikante Vorteile für das Unternehmen mit sich bringen. Die Autoren nutzen daher als Basis für ihr konzeptionelles Modell die „Unified Theory of Acceptance and Use of Technology - UTAUT“ sowie das „Concept of Technical Innovation Adoption“

Das UTAUT beinhaltet die 4 Haupteinflussfaktoren performance expectancy, effort expectancy, social influence und facilitating conditions für die Verwendung neuer Technologien sowie die vier Moderatoren Geschlecht, Alter, Erfahrung und Freiwilligkeit der Nutzung.

Das Concept of Technical Innovation Adaption stellt das Vertrauen in die Technologie sowie zwischen den Organisationen in den Mittelpunkt.

Vertrauen ist ein wichtiger Faktor innerhalb der Supply Chain, damit diese reibungslos funktioniert. Nach dem Motto ein Unternehmen ist nur so vertrauenswürdig wie seine Geschäftspartner beeinflusst dies auch Markenimage sowie Beziehungen zu Konsumenten, das wie bereits oben erwähnt ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil sein kann.

Vertrauen ist somit auch ein Schlüsselelement der Blockchain und bezieht sich insbesondere auf die Datenintegrität. Dem Vertrauen in die Technologie als auch dem Vertrauen zwischen den Organisationen wird hierbei große Bedeutung beigemessen.

 

Basierend auf diesen beiden Theorien sowie der Literaturrecherche erstellten die beiden Autoren folgendes konzeptionelles Modell:

 Konzeptionelles Modell

 

 

Konzeptionelles Modell
Quelle:  Francisco/Swanson, 2018, S. 6

 

Das Modell, das hier kurz näher dargestellt werden soll, basiert auf den beiden oben erwähnten Theorien. Die Aspekte beeinflussen das Benutzerhalten entweder direkt oder indirekt.

Performance expectancy (Steigerung der Effizienz durch Nutzung der Vorteile der neuen Technologie) beeinflusst die Verhaltensabsichten der Nutzer, Blockchain-Technologie zu nutzen, positiv.

Effort expectancy (Steigerung der Effektivität durch einfachere Handhabung der neuen Technologie gegenüber bisherigen Methoden) beeinflusst Verhaltensabsichten der Nutzer, Blockchain-Technologie zu nutzen, positiv.

Social influence (Ausmaß der Einflussnahme, dass die Technologie genutzt werden soll – „kritische Masse“ an Nutzern wesentlich) beeinflusst die Verhaltensabsichten der Nutzer, Blockchain-Technologie zu nutzten, positiv.

Facilitating conditions (firmeninterne technische Infrastruktur unterstützt den Gebrauch der neuen Technologie) beeinflussen die Verhaltensabsichten der Nutzer, Blockchain-Technologie zu nutzen, positiv.

Behavioral Intention (Verhaltensabsichten eines Nutzers) beeinflusst den Gebrauch der Blockchain Technologie positiv.

Vertrauen in die Technologie moderiert positiv die Beziehung zwischen Performance Expectancy, Effort Expectancy sowie Facilitating Conditions und Behavior Intention.  Die Vertrauenswürdigkeit der Technologie beeinflusst die Absicht die Technologie zu nutzen positiv. Dh je besser die Nutzer die Technologie kennen, je mehr Erfahrungen sie sammeln können und je vertrauenswürdiger die Technologie ist, desto eher werden sie diese nutzen.

Interorganisationales Vertrauen (das Vertrauen zwischen den Organisationen ist Voraussetzung für die Akzeptanz der Technology sowie das Teilen von Information) moderiert positiv die Beziehung zwischen Performance Expectancy, Effort Expectancy, Social Influence sowie Facilitating Conditions und Behavior Intention.

 

Schlussfolgerungen der Autoren

Die Autoren sehen insbesondere bei der Theorie der ATAUT kritisch, dass diese Theorie vor allem den Nutzen des Systems in den Vordergrund stellt (extrinsische Motivation). Es wird dabei die intrinsische Motivation, eine neue Technologie einzuführen, vernachlässigt. Außerdem wird kritisiert, dass das Modell keine Richtlinien für die Einführung neuer Technologien zur Verfügung stellt.

 

Ziel des Artikels war es anhand einer Literaturrecherche sowie theoretischen Modellen ein Konzept zu entwickeln, das aufzeigt, welche Faktoren Einfluss auf die Einführung neuer Technologien insbesondere die Blockchain haben. Die Autoren merken zum Schluss jedoch selbst an, dass dieser Artikel mehr Fragen aufwirft, als er Antworten gibt. Fragestellungen, ob der Einsatz von Blockchain vom Produkt oder Dienstleistung abhängt, wie sich Blockchain auf die innerbetriebliche Zusammenarbeit auswirkt oder wie nicht technologische externe Faktoren die Implementierung beeinflussen, sind nur einige Forschungsthemen, die im Raum stehen bleiben.

 

Eigene Anmerkungen

Ich habe den Artikel gewählt, da dieser aufzeigt, welche Faktoren bei der Einführung einer neuen Technologie relevant sind und was schlussendlich über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Ob die Blockchain-Technologie innerhalb der Supply Chain eingesetzt wird und ob diese zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit führt, hängt von vielen Faktoren ab.

Fraglich ist, ob diese Technologie wirklich aufgrund der Transparenz und Nachvollziehbarkeit eingesetzt wird oder nur deshalb, weil die Supply Chain optimiert und smarter gestaltet werden kann. Viele Aufgaben und Prozesse -so scheint es- können aufgrund der Technologie automatisiert werden. Welche Absicht tatsächlich hinter der Nutzung einer Blockchain-Technologie steht, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

Ob diese Technologie großen Einfluss auf die Kennzeichnung der Ware hat, wage ich daher zu bezweifeln, da es außerdem bereits viele anerkannte Zertifizierungen gibt. Auch ist für mich nicht ganz klar, inwieweit verarbeitete Produkte (zB convenience food) aufgrund der etwaigen hohen Datenmengen für Endverbraucher noch transparent und nachvollziehbar sein können. Die Anwendung der Blockchain-Technologie bei Fischfang oder Juwelen erscheint mir dabei ein relativ einfaches Beispiel, das nur einen kleinen Teil der Weltwirtschaft abdeckt.

6 comments :: Kommentieren

Kosten - Nutzen ?

marian.limberger.uni-linz, 15. Mai 2018, 08:51

Natürlich ist es für jeden ein positiver Nutzen, wenn die Supply Chain durchgängig nachvollziehbar ist. Jedoch in Anbetracht der erheblichen Energiekosten, die für die Blockchain anfallen, stellt sich die Frage, ob es bei jeder Ware sinnvoll ist, die Supply Chain in der Blockchain aufzuzeichnen. Bei wertvollen Produkten, wie Diamanten, macht das eher Sinn.

Die Blockchain Technologie steht noch am Anfang ihrer Möglichkeiten, daher wird es vielleicht in Zukunft abgeänderte oder erweiterte Blockchain-Lösungen geben, die unsere gesamte Wirtschaft erfassen. Auch die Deutsche Bundesbank (mein Beitrag) sieht am Finanzsektor noch Potenzial.

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Nachfrage nach Transparenz

susanne.groiss.uni-linz, 15. Mai 2018, 21:39

Die Nachfrage nach Transparenz in der Supply Chain wird sich vermutlich in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Die Erwartungen der Verbraucher werden weiter steigen. Konsumenten machen sich zunehmend Gedanken über Produktionspraktiken, Lebensmittelintgerität und ökologische Nachhaltigkeit. Für Unternehmen stellt die Blockchain eine effizientere Methode dar, um Risiken in der Lieferkette zu bewerten und zu mindern, indem sie zuverlässige Quellen von Produktherkünften und -prozessen bereitstellen. Es gibt bereits Anwendungsfälle (siehe auch in meinem Artikel), die zeigen, dass die Blockchain eine großen Nutzen haben kann. Inwieweit sich die Anwendung der Blockchain durchsetzen wird, wird sich aber noch herausstellen, denn es bedarf an ausreichender Logistik, vor allem IT-Infrastruktur, Management und Vertrauen in die neue Technologe, um von ihr profitieren zu können.

 

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Anwendbarkeit

elsa.wiesinger.uni-linz, 16. Mai 2018, 17:04

Natürlich macht die Blockchain-Technologie nicht bei jeder Produktart Sinn. Doch es gibt sicherlich Warengruppen, die von der Kontrolle einer durchgängigen Supplychain, ohne beispielsweise der Unterbrechung der Kühlkette, profitieren können. In meinem Beitrag  erwähne ich bei diesem Thema den Transportweg der Medikamente von der Produktion bis hin zur Apotheke. 

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Reduktion der Prozesskosten

georg.pilsner.uni-linz, 16. Mai 2018, 23:02

..passend zu deinem Beitrag hab ich einen Artikel gefunden, in dem die Vorteile ( u.a. die Reduktion der Prozesskosten im Transport- und Logisitk Bereich, wenn alle Beteiligten auf einen Auftrag zugreifen können sowie durch eine automatisierte Abrechung ) eräutert werden inkl. Praxis-Beispiele. Aber es wird auch explizit darauf hingewiesen, dass man eben einiges in solch ein System, das auf der  Blockchain Technologie basiert, investieren muss und dass man möglichst alle in der Supply Chain beteiligten Partner überzeugt.

https://www.produktion.de/technik/logistik/logistik-vorteile-durch-blockchain-in-der-supply-chain-115.html 

 

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Produkttransparenz

magdalena.bieregger.uni-linz, 17. Mai 2018, 13:42

Supply Chain Relevant sehe ich es im Bereich Produkttransparenz. Durch das zuverlässige erfassen von Herkunft, Echtheit, Qualität oder der Einhaltung von Umweltstandards ist möglich. Beispielsweise in der Lebensmittelbranche kann der Nachweis biologischer Anbauformen, in der Rohstoffindustrie die Überprüfung der Abbaurechte oder in der Textilindustrie die Überprüfung  der Arbeitsbedingungen in den Herstellerländer nachgewiesen werden.

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christina.pillmair.uni-linz, 27. Juni 2018, 07:49

Der Einsatz von Blockchain steckt noch in den Kinderschuhen. Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass die Sicherheit und Transparenz die mit der Blockchaintechnologie einhergeht, sicher nicht nur für den Endkunden relevant ist, sondern auch für das Unternehmen selbst. Lieferzeiten können genauer berechnet werden, Ressourcen können effizienter eingesetzt werden und als Unternehmen hat man immer die Sicherheit, qualitativ hochwertige Ware in der gewünschten Zeit zu bekommen.
Mich würde interessieren, ob dazu schon Pilotprojekte existieren.

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