Propaedeutikum Artikel Netzneutralität aus der wirtschaftlichen Sicht

magdalena.giegler.uni-linz, 20. November 2016, 10:40

Was bedeutet Netzneutralität eigentlich?

Netzneutralität bedeutet die diskriminierungsfreie Datenübermittlung im Netz und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen. (vgl. Q1) 

Anders ausgedrückt heißt dass: „dass Internet-Anbieter alle Datenpakete gleichberechtigt durch ihre Leitungen schicken, egal woher sie stammen oder welchen Inhalt sie haben.“ (Q2)

Tim Berners Lee sagte schon in den frühen Phasen des Web, dass der Grundgedanke des Internets eine freie, unzensierte und gleichberechtige Nutzung sein soll. Diese Neutralität soll die Freiheit des Internets, Meinungsfreiheit, Innovationskraft und Chancengleichheit generieren.  (vgl. Q3)

 

Die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH definiert das Prinzip der Netzneutralität als Grundsatz wie folgt:

 

  • „Die Regulierungsbehörde steht für ein offenes Internet mit niedrigen Eintrittsbarrieren, in dem jeder Endkunde bzw. Content and Application Provider (CAP) die Möglichkeit hat:

 

  • Inhalte seiner Wahl zu senden und empfangen,

 

  • Services und Applikationen seiner Wahl bereitzustellen bzw. zu nutzen sowie

 

  • Endgeräte (Hardware) und Programme (Software) seiner Wahl zu nutzen.“ (Q4)

 

Interdisziplinäre Sicht:

 

Das Thema Netzneutralität kann man nicht bloß aus einer einzigen Sicht betrachten. Es betrifft verschiedene, allerdings eng miteinander zusammenhängende, Aspekte. Es ist ein Phänomen welches eine informatisch/technische, rechtliche, soziologische und wirtschaftliche Sicht auf die Thematik benötigt. Aus technischer Sicht steht die Frage im Raum, welche Formen des Datenverkehrs möglich und erforderlich sind, um den zu erwartenden Anstieg des Datenvolumens in der Telekommunikation, insbesondere bei möglichen Kapazitätsengpässen bewältigen zu können. Im Folgenden werden die wirtschaftlich/ökonomische Sicht und die dafür erforderliche technische Voraussetzung näher beleuchtet. (vgl. Q8)

 

Die technische Sicht:

 

Dass das Thema Netzneutralität überhaupt relevant geworden ist, liegt am technischen Fortschritt, denn die Übertragung der Daten im Netz erfolgte bislang weitgehend nach der sogenannten Best-Effort-Methode. Dabei werden die einzelnen Datenpakete nicht nach Inhalt oder anderen Kriterien differenziert, sondern beim Transport gleich behandelt. Innovative Differenzierungsmethoden (Deep Package Inspection) ermöglichen es aber nun, Einzelheiten bei den versendeten Datenpaketen, z.B. deren Quelle oder Zieladresse, aber auch den konkreten Inhalt auszulesen und zu analysieren. Die ist trotz der enormen Verkehrsmengen auf den heutigen Netzen ohne Zeitverlust möglich. Damit sind aus Sicht vieler Beobachter eine Reihe von Gefahren verbunden, zum Beispiel hinsichtlich des Datenschutzes oder etwa der Möglichkeit für Infrastrukturanbieter, die gleichzeitig auch audiovisuelle Inhalte anbieten, die eigenen Inhalte denen anderer Anbieter vorzuziehen. (vgl. Q7)

 

Das sogenannte Packet Switching ist ein Verfahren der Datenübertragung, bei dem die Information in „Pakete“ aufgeteilt wird und „paketweise“ an den Empfänger gelangt. Beim Empfänger werden die Paketinhalte wieder zur ursprünglichen Information zusammengefügt.

Ein solches Paket enthält typischerweise die Quelle und das Ziel des Paketes, die Länge des Datenteils, die Paketlaufnummer und die Klassifizierung des Paketes. (vgl. Q5)

Die Vorteile sind eine effizientere Auslastung, da eine Leitung nicht exklusiv belegt wird, sondern mehrere Nutzer bzw. Dienste gleichzeitig kommunizieren können, und die Ressourcen können fair unter den Teilnehmern aufgeteilt werden.

Da die Übertragungspfade jedoch nicht festgelegt sind, kann ein möglicher Nachteil sein, dass es zur Überlastung an einzelnen Vermittlungsstationen kommt. (vgl. Q6)

   

Die wirtschaftliche Komponente:

 

Aufgrund der in den letzten Jahren sprunghaft gestiegenen Bedeutung der Telekommunikation und des Internet für Wirtschaft und Gesellschaft, stehen die unmittelbaren Auswirkungen auf die bestehenden Markt- und Nutzungsstrukturen im Fokus. (vgl. Q8) 

Das Netzneutralitätsverständnis aus der öffentlichen Debatte geht davon aus, dass Datenpakete ohne Differenzierung nach Preis und/oder Qualität weitergeleitet werden. Hiervon ausgehend lassen sich aus ökonomischer Sicht zwei Aspekte ableiten. 

  • 1.     Die sogenannte „Null-Preis-Regel“
  • 2.     Die sogenannte „Nicht-Diskriminierungs-Regel“, wobei dabei der Begriff „Diskriminierung“ gleichbedeutend mit „Differenzierung“ ist. (vgl. ebd.)

  

Die „Null-Preis-Regel“

 

Aus dem Prinzip der Gleichbehandlung wird abgeleitet, dass die lokalen ISP (Internet Service Provider) von den Diensteanbietern weder unmittelbar noch mittelbar ein Entgelt zur Weiterleitung ihrer Datenpakete an die Endkunden erheben dürfen. Dieses Verständnis von Netzneutralität wird als Null-Preis-Regel verstanden, was einen erheblichen Eingriff in die Preisstruktur auf einem wettbewerblichen Markt bedeutet. Alle Erlöse der lokalen ISP müssen demnach mit der Gewährung des Internetzugangs an ihre jeweiligen Endkunden erzielt werden. Durch eine Abweichung von dieser Regel entsteht ein Potenzial für eine zweiseitige Preisstruktur. Zum einen könnten die lokalen ISP ein Entgelt von den Endkunden für den Zugang zum Internet verlangen, zum anderen könnten sie ein Entgelt von den Diensteanbietern für die Weiterleitung der Inhalte an die Endkunden erheben. (vgl. Q8)

 

Die „Nicht-Diskriminierungs-Regel“

 

Die Forderung, dass lokale ISP nicht zwischen Datenpaketen verschiedener Diensteanbieter unterscheiden dürfen führt zu der sogenannten Nicht-Diskriminierungs-Regel. Das bedeutet eine Nicht-Diskriminierung, im Sinne einer Gleichbehandlung bzw. Nicht-Differenzierung der Pakete hinsichtlich ihres Preises, ihrer Qualität oder ihrer Herkunft. Durch diese Regel ist es ISP verboten, bestimmte Datenpakete z.B. durch eine schnellere Weiterleitung zu bevorzugen. Ein Beispiel hierfür ist, dass ein lokaler ISP die Homepage von Diensteanbieter 1 nicht systematisch schneller für die Endkunden aufbauen darf als die bezüglich des Datenumfangs identische Homepage des Diensteanbieters 2. (vgl. ebd.)

Die Aufhebung der Netzneutralität im Sinne der Nicht-Diskriminierungs-Regel würde unterschiedliche Qualitätsstufen der Weiterleitung erlauben, die den Diensteanbietern möglicherweise zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Das ist in anderen Wirtschaftszweigen eine durchaus übliche Preissetzungsstrategie, welche im Allgemeinen „Preisdiskriminierung zweiten Grades“ genannt wird. Bei der Weiterleitung der Daten würden in diesem Fall die Datenpakete der Diensteanbieter priorisiert werden, die ein höheres Entgelt zahlen. (vgl. ebd)

 

Conclusio

 

Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht wirkt sich Netzneutralität erstens (positiv) auf das Inhalts- und Diensteangebot aus und zweitens beeinflusst sie die Qualität des Angebotes (negativ), wenn es etwa zu Stauungen in der Übertragung kommt, wodurch vor allem die Qualität stausensibler Dienste wie Voice-over-IP oder Livestreams reduziert wird. Ein dritter Punkt, worauf sich Netzneutralitätsregelungen auswirken, ist der Preis den die Endkunden zahlen, denn ISP haben bei geringen Einnahmen von Diensteanbietern einen Anreiz, diese geringen Einnahmen von Internetnutzern zu kompensieren. (vgl. Q8)

 

Abschließend sollen Fragen aufgeworfen werden, die möglicherweise einen Blick in die Zukunft werfen. Gesellschaftspolitisch stellt Informatik-Professor Kurt Tutschku die Frage: „Natürlich muss man angesichts der begrenzten Kapazitäten auch die Entscheidung treffen: Sind wir dafür, dass ein Notruf über VoIP gegenüber einem Musikdownload Vorrang hat, wenn das Netz überlastet ist?“ (Q9)

Bezüglich der wirtschaftlichen Sicht wiederum sei es legitim zu hinterfragen, wer für die Bereitstellung von Ressourcen verantwortlich ist und ob anwendungsspezifische Erfordernisse auch in neuen Geschäftsmodellen ihren Anklang finden. Tutschku sagt, dass es beispielsweise für Gamer enorm wichtig sei, schnelle Reaktionszeiten zu generieren, damit sie gegenüber ihren Mitspielern nicht benachteiligt seien. (vgl. Q9)

„Wenn Provider eine „Fast Path“-Option um fünf Euro anbieten, kann das kaum jemand für verwerflich halten“, so Tutschku. (Q9)

 

Quellen:

 

Q1: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/611744018/netzneutralitaet-v1.html

Q2:http://derstandard.at/2000024606337/Netzneutralitaet-Der-Streit-in-Europa-und-das-Prinzip-des-Internets

Q3: https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Jev2Um-4_TQ

Q4: https://www.rtr.at/de/tk/Netzneutralitaet

Q5: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75604/paketvermittlung-v10.html

Q6: https://de.wikipedia.org/wiki/Paketvermittlung

Q7:http://www.netz-macht-kultur.de/47.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=352&cHash=43fe741d765713af30c7d2c130b996f7

Q8:http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2012/11/die-netzneutralitaetsdebatte-aus-oekonomischer-sicht/

Q9:http://futurezone.at/science/netzneutralitaet-zum-scheitern-verurteilt/24.565.146

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