Beiläufige Kommunikation oder warum wir vergessen, was wir gestern auf Facebook kommentiert haben
daniela.hinterleitner.uni-linz, 16. März 2014, 16:51
40 ungelesene E-Mails, 15 neue Facebook-Nachrichten, 8 Whats App-Chatpartner warten auf eine Antwort,...doch eigentlich möchte man sich den Spielfilm im TV ansehen. Webkommunikation bekommt meist nicht unsere volle Aufmerksamkeit, sondern passiert eher beiläufig neben anderen Dingen.
Wir sitzen abends vor dem Fernseher, shoppen gleichzeitig mit dem Tablet in der Hand auf Amazon, nebenbei schreiben wir am Smartphone noch mit Freunden via Whats App und kommentieren Bilder auf Facebook. Unsere Aufmerksamkeit ist auf viele Dinge gleichzeitig gerichtet und auf keines so wirklich. Am nächsten Tag wundern wir uns, dass wir nicht mehr wissen, was wir der Freundin bei Whats App geantwortet oder welches Bild wir eigentlich bei Facebook kommentiert haben. Durch die Ubiquität des Webs und der sozialen Medien nutzen wir diese „beiläufig“, sprich neben anderen Dingen, die scheinbar ebenso wenig unsere volle Aufmerksamkeit fordern, als die Kommunikation via Web.
Die britische TV-Regulierungsbehörde Ofcom hat in ihrer Studie „The reinvention of the 1950s living room“ festgestellt, dass 53% der britischen Erwachsenen parallel zum Fernseher andere Devices benutzen. Ein Viertel davon betreiben sogenanntes „Media Meshing“: Es werden zwar andere Geräte benutzt, jedoch um über den TV-Inhalt zu sprechen. (Q1) Dieser Entwicklung geht sogar so weit, dass Twitter und das Marktforschungsinstitut Nielsen eine Kooperation eingehen werden: Twitter misst künftig, welche US-TV-Sendungen die meisten Tweets und das größte Twitter-Publikum vereinen und ergänzen dadurch die traditionellen Messwerte für TV-Einschaltquoten von Nielsen. (Q2) Die anderen 75% widmen sich dem Phänomen der zueinander thematisch unabhängigen Parallelnutzung von Fernsehen und Smartphone, Tablet oder Notebook, dem „Media Stacking“. (Q3)
Dass nun ein maßgeblicher Teil der privaten Webkommunikation nur als beiläufige Kommunikation betrachtet werden kann, ist aus meinen eigenen Erfahrungen im Bekanntenkreis und den Beiträgen oben ersichtlich. Durch die ständige Verfügbarkeit und die Vielzahl an Kanälen sind wir allzeit und allerorts im Austausch und es ist eigentlich kaum mehr möglich unsere 100%ige Aufmerksamkeit den hunderten Whats App-, Facebook- und Twitter-Nachrichten zu widmen, mit denen wir täglich konfrontiert werden. So kommunizieren wir beiläufig neben unseren alltäglichen Tätigkeiten und schaffen es mehr oder weniger gut die Flut an Informationen zu verarbeiten. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht sowieso ausreichend ist, einen Teil der Webkommunikation nur beiläufig zu beachten, denn viele Nachrichten sind es meist nicht einmal Wert, dass sie unsere volle Aufmerksamkeit bekommen.
Doch nicht nur im Privatleben spielt die beiläufige Kommunikation mittels Web eine entscheidende Rolle. Auch im Berufsleben neigen wir dazu, eine einkommende E-Mail kurz zu beantworten, um uns anschließend „sofort“ wieder unserer eigentlichen Aufgaben zu widmen. Nach Untersuchungen bei Microsoft kam man jedoch zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter nach Beantwortung einer E-Mail oder SMS bis zu einer Viertelstunde brauchen, um wieder „ernsthafter geistiger Tätigkeit“ nachzugehen. Einmal unterbrochen beschäftigten sie sich mit anderen E-Mails oder surften durchs Internet. (Q4)
Die sozialen Netzwerke machen aber auch vor Unternehmen nicht halt, Microsoft kündigte auf der SharePoint Konferenz an, dass sich Unternehmen in Zukunft genauso vernetzen sollten, wie wir es bereits aus unserem Privatleben mit Facebook, Twitter und Co gewöhnt sind. Umgesetzt wird dies mit dem Social Enterprise Network Yammer. (Q5) Hier stellt sich nun die Frage: Wird auch unsere berufliche Kommunikation zwangsweise immer beiläufiger und welche folgen wird das für unser Berufsleben haben? Werden wir am nächsten Tag vergessen haben, was wir unserem Arbeitskollegen bereits via Yammer geschickt haben und welche Bestellungen wir bereits in Auftrag geben haben?! So wie wir heute bereits vergessen, welches Bild wir vor ein paar Stunden auf Facebook kommentiert haben.
Quellen:
- Q1: http://media.ofcom.org.uk/2013/08/01/the-reinvention-of-the-1950s-living-room-2/
- Q2: http://futurezone.at/digital-life/nielsen-bringt-twitter-quoten-fuer-fernseh-programm/29.949.604
- Q3: http://futurezone.at/digital-life/fernsehzuschauer-werden-zu-multimedialen-multitaskern/29.481.035
- Q4: Tom Chatfield: Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblüht: Kleine Philosophie der Lebenskunst, 2012
- Q5:http://www.computerwoche.de/a/microsoft-will-unternehmen-in-netzwerke-verwandeln,2555412
Interessanter Artiekl
lucy megan.schuster.uni-linz, 16. März 2014, 18:57
Hallo Daniela,
ich bin ich begeistert, dein Blogeintrag liest sich sehr schön und auch deine Literaturrecherche wurde sehr gut aufbereitet.
Ich frag mich immer, was kommt nach den 40 ungelesenen E-Mails, 15 neuen Facebook-Nachrichten, 8 Whats App-Chatpartner die auf eine Antwort warten? Spannende Sache ;)
Lg
Dankeschön
daniela.hinterleitner.uni-linz, 17. März 2014, 19:06
für deinen Kommentar, freut mich, wenn dir der Beitrag gefällt.
Ich befürchte fast, dass nach dem Lesen und Abarbeiten der der vielen Nachrichten, schon wieder neue auf uns warten. Jedenfalls beschleicht mich dieses Gefühl in der Arbeit immer!
Mitten im Thema, ..
Hans.Mittendorfer.Uni-Linz, 17. März 2014, 12:13
.. richtig zitiert, dake für Ihren guten Einstiegsbeitrag in die Webkommunikaiton.
Informationsüberflutung
jessica.hettich.uni-linz, 19. März 2014, 14:19
Du sprichst genau das an, was wir alle erleben.
Zu viele Nachrichten über zu viele Kanäle - oft eine schwierige Sache alles zu koordinieren.
Tolle Aufbereitung deines Beitrages. War sehr spannend zu lesen!