DLT und Finanzsektor Deutsche Bundesbank prüft Distributed-Ledger-Technologien

marian.limberger.uni-linz, 14. Mai 2018, 18:51

 

Distributed-Ledger-Technologien im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung: Potenziale und Risiken

 

Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2017, Seite 39-50 (ohne Beschreibung der Distributed-Ledger-Technologie und Erklärung „Forschungsprojekt Blockchain“)

 

Zusammenfassung:

1.    Funktionaler Vergleich zu existierenden Systemen:

Der Unterschied zwischen der DLT und bestehenden Systemen besteht darin, dass die DLT einen direkten Werttransfer zwischen den Teilnehmern zulässt, ohne, dass die kontoführende Stelle involviert wird. Heute bestehen Finanzmarktinfrastrukturen aus Zahlungsverkehrssystemen, Wertpapierabwicklungssystemen, Zentralverwahrer und Zentrale Kontrahenten, die die verschiedenen Märkte und Teilnehmer miteinander verbinden.

Im Zahlungsverkehr bestehen ja nach institutioneller Distanz zwischen Sender und Empfänger mehr oder weniger Intermediäre (nur ein Intermediär bei Kunden der gleichen Bank, aber sehr viele bei währungsübergreifender Zahlung). Noch umfangreicher sind die zwischengeschalteten Stellen im Wertpapierhandel (Banken, Börsen, Zentrale Verwahrer,  ..).

Beim Einsatz der DLT würde sich durch den Konsens der beteiligten Parteien der Eintrag in das verteilte Kontenbuch zugleich als Handelsabschluss, Clearing, Abwicklung und Buchhaltung interpretieren lassen.

 

2.    Erwartete Vorteile:

 

Transparenz und Unveränderbarkeit: Alle Teilnehmer sehen gesamte Datenhistorie. Fälschungssichere Aufbewahrung.

 

Operative Effizienz: weniger komplexe Abwicklung, schneller und geringere Kosten.

 

Sicherheit: kein Single Point of Failure, aber Points of Attack an zahlreichen gleichberechtigten Knoten. Schutzaufwand für Cyberrisken vervielfältigt sich.

 

Unabhängigkeit von Intermediären: DLT ermöglicht direkten Austausch zwischen Teilnehmern.

 

Automatisierte Vertragsabwicklung: Smart Contracts können vertragliche Ansprüche automatisch erledigen (Aut. Auszahlung von Zinsen oder Dividenden)

 

3.    Bestehend Herausforderungen:

 

Durch Weiterentwicklung der ursprünglichen Bitcoin Blockchain (public Ledger) entstehen auch Einschränkungen

 

Identifizierbarkeit: Widerspruch zu Geldwäscherecht, daher im Finanzsektor nur Private Ledger möglich

 

Vertraulichkeit: Jeder DLT Teilnehmer hat grundsätzlich Einblick in die gesamte Transaktionshistorie, daher ist die Vertraulichkeit auch mit Verschlüsselung nicht einzuhalten (neue Technologien zur Entschlüsselung, Historie wird einsehbar). Durch Verteilung auf Unternetzwerke wäre die Vertraulichkeit erfüllbar, allerdings keine vollständige Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

 

Skalierbarkeit und Performanz: Derzeit zu gering (Bitcoin 350.000 Transaktionen pro Tag, Deutscher Zahlungsverkehr 75 Mio.)

 

Eingeschränkte Resilienz: durch verschiedene Rollenkonzepte in DLT kommt es zur Möglichkeit auf einen Knoten mit erhöhten Rechten einen Angriff auf das System zu machen.

 

Finalität: Durch Proof-of-Work Konsensmechanismus kann es sein, dass ein Block in einer Abzweigung an einer kürzeren Kette angehängt ist und dadurch keine Gültigkeit erlangt. Daher gibt es nur eine relative Finalität.

 

Bezug zu realen Werten: Notwendigkeit der Schnittstelle zwischen DLT und realer Welt bei Wertpapieren (z.B.  Zentralverwalter). Der Übertrag in der DLT ist nur virtuell. Es besteht keine Bestätigung über vorherige Eigentumsverhältnisse.

 

4.    Mögliche Marktveränderungen

Der Einsatz der DLZ im Finanzsektor ist nach heutiger Sicht nur dann von Vorteil, wenn ein hoher Abstimmungsbedarf zwischen den Teilnehmern besteht und ein wiederholter Rückgriff auf die Datenbank erforderlich ist, oder wenn es sich um eine komplexe Wertschöpfungskette handelt.

Der Zahlungsverkehr im Euroraum ist mittlerweile auch ohne DLT im Stande Gelder in Echtzeit zu transferieren und verursachen praktisch keinen Abstimmungsaufwand. Durch Einsatz der DLT ist bislang kein Effizienzgewinn erkennbar, je nach Konsensmechanismus käme sogar zu einer Verlangsamung und Verteuerung. Daher ist der Einsatz nach heutiger Sicht unwahrscheinlich.

Anders sieht die Situation am währungsübergreifenden Zahlungsverkehr aus. Durch die Zwischenschaltung unterschiedlichster Stellen (Korrespondenzbank, etc.) kommt es zu langen Transferzeiten und hohen Transfergebühren. Durch die DLT und der Smart Contracts kommt es hier zu einer wesentlichen Vereinfachung, Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Insbesondere durch die Automatisierung von Abwicklungsprozessen vereinfacht die Abstimmung zwischen den Parteien.

Bei der Wertpapierabwicklung, insbesondere dort, wo hoher Abstimmungsaufwand nötig ist, ergeben sich durch die DLT drei wesentliche Vorteile:

·         Geringer Abstimmungsaufwand: Alle Beteiligten greifen auf den selben Datenbestand zu, daher gibt es keine Differenzen

·         Prozesskettenverkürzung: Durch Smart Contracts können komplexe Transaktionsabfolgen wie eine einzige durchgeführt werden. Die Anzahl der Währungen und Beteiligten spielt hier keine Rolle mehr.

·         Wertpapierlebenszyklus: Vereinfachte Zahlungen von Zinsen, Aktiensplits und Rückzahlungen. Durch einen Smart Contract wäre der gesamte Wertpapierlebenszyklus abgebildet, ohne zusätzliche Eingriffe.

Die Dezentrale Stammdatenpflege würde mittels DLT zu einer sofortigen Aktualisierung bei allen Teilnehmern führen, allerdings wird im Finanzbereich die Änderung von Referenzdaten ohne extern autorisierte Verifikation nicht durchsetzbar sein.

Heute wird bei großen Beträgen von den Marktteilnehmern auf Abwicklung in Zentralbankgeld bestanden. Bei Nutzung von DLT wäre es notwendig digitales Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen. Dabei wären mehrere Möglichkeiten denkbar, als wertbasiert (Bargeld) oder als kontenbasiert (Einlagen), anonym oder registriert, mit Nutzungsbeschränkungen (Betrag oder Verwendungszweck) und auch verzinst oder unverzinst.

Eine Ausweitung des digitalen Zentralbankgeldes auf Nichtbanken hätte erhebliche Auswirkungen auf die Notenbankbilanzen. Daher ist nicht mit einer Einführung von digitalem Zentralbankgeld realistisch zu rechnen.

 

5.    Auswirkungen und Ausblick

Derzeit erforscht die deutsche Bundesbank in Zusammenarbeit mit der Deutschen Börse die Eignung und Effizienz der DLT in einem Projekt. Aus Sicht der Bundesbank kommen nur Systeme mit Zugangsbeschränkungen, das heißt Privat Ledger mit Identifizierung der Teilnehmer, zum Einsatz. Erste Ergebnisse bestätigen die grundsätzliche Eignung der DLT, jedoch muss die Performanz und die Skalierbarkeit noch weiter geprüft werden.

Auf Grund der Vielzahl an Marktteilnehmern wird es schwierig alle zu einem Systemwechsel zu bewegen, ohne einen signifikanten Effizienzgewinn und auch Kostengewinn in Aussicht stellen zu können.

Gleichzeitig versucht die Deutsch Bundesbank im Rahmen einer Initiative zur Normierung von Blockchain und DLT einen einheitlichen Referenzrahmen zum Austausch von Daten zwischen Systemen, Anwendungen und Nutzern zu schaffen.

Es zeigt sich, dass der Einsatz der DLT noch vielen Anpassungen unterliegen wird. Die reine P2P Übertragung, wie bei Bitcoin wird sich in der realen Finanzwelt ohne Intermediäre kaum umsetzen lassen. Weiters sind Performanz und Skalierbarkeit noch zu gering, um das große Volumen der Finanzanwendungen zu bewältigen.

Möglicherweise werden in naher Zukunft einige isolierte DLT Anwendungen eingeführt werden, die eher nicht zu einem gesamten Systemwechsel führen werden. Die breite Einführung würde einen sehr hohen zeitlichen und kooperativen Aufwand aller Beteiligten erfordern.

Aus Sicht der Bundesbank bestehen gute Gründe weiter an der praktischen Anwendbarkeit der DLT im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung zu forschen.  

 

 

 

 

 

2 comments :: Kommentieren

Blockchain-Technologie steckt noch in den Kinderschuhen

gertrude.dienstl-ottensamer.uni-linz, 16. Mai 2018, 22:04

Die Rechenleistung der Blockchain-Technologie ist aufgrund der vielen täglichen Transaktionen im Bankensektor enorm. Ob Rechenzentren die Flut an kommenden Transaktionen zukünftig meistern können, ist kritisch zu sehen. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfte das nicht so sein - vielleicht helfen Quantencomputer oder das Nutzen anderer Algorithmen (proof of stake anstatt proof of work) bei diesem Problem. Vergleicht man rein den Energieaufwand zB des Bitcoin-Minings, dann benötigt dieses Minin 66,98 TWh / Jahr; Österreich im Vergleich 72 TWh (vgl. Bitcoin Energy Consumption Index) 

 

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Banken überflüssig?

magdalena.bieregger.uni-linz, 17. Mai 2018, 14:02

Abwicklungen des Zahlungsverkehrs in der Eurozone benötigen bei Überweisungen in der Regel einen Tag. Diese Settlement Fristen können allerdings deutlich länger werden, wenn es sich um eine internationale Überweisung handelt. Mit der Blockchain könnten ähnlich wie im Bitcoinnetzwerk auch Zahlungen in klassischen Währungen grenzüberschreitend in nicht anonymen Peer-to-Peer-Netzwerken in Echtzeit direkt zwischen den Vertragsparteien durchgeführt werden, was Banken überhaupt überflüssig macht.

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