Propaedeutikum Aufgabe 7: Vom Web 1.0 zum Web 2.0
claudia.scheba.uni-linz, 11. Februar 2014, 13:30
Man denke an die Anfänge des Internets zurück: das Web als statische Informationsquelle. In den ersten 10 Jahren (1994-2004) der breiten Nutzung des Webs ging man online um großteils Informationen abzurufen, E-Mails zu versenden oder teilweise auch schon um Einkäufe online abzuwickeln. Dennoch boten Webseiten, ob von Unternehmen, dem öffentl. Sektor oder anderen Content Providern, kaum Interaktionsmöglichkeiten. Nur eine geringe Anzahl von Akteuren erstellte und verbreitete Content. Die große Mehrheit konsumierte passiv die bereitgestellten Inhalte. Es wurde also grundsätzlich in einem one-to-many Muster kommuniziert. Das frühe Internet, heute unter dem Schlagwort Web 1.0 bekannt, stellte somit eine globale Informationsplattform mit eingeschränkten Interaktionsmöglichkeiten dar. [Q1]
Abb. 1: Web 1.0 (eigene Darstellung)
Heute spricht man vom Web 2.0, von Prosumenten, Peer Production, Crowdsourcing, Social Software, Sozialen Netzwerken, etc. Das Web hat sich in seinem Erscheinungsbild gewandelt: von einer "Informations-Plattform" zu einer "Mitmach-Plattform". Das Web ermöglicht es nun Menschen, ob in der Rolle als Konsument, Bürger, Privatperson, usw. aktiv zu werden, selbst Content zu erstellen und mit Unternehmen, öffentl. Einrichtungen oder anderen Webusern zu kommunizieren und interagieren. Das Web hat sich zu einer interaktiven, partizipativen Plattform entwickelt, wo jeder gleichermaßen (auch ohne über tiefgreifende Programmierkenntnisse zu verfügen) Content erstellen und verbreiten kann. Im Mittelpunkt steht die Interaktion der Webuser untereinander sowie die Generierung, der Tausch und die Verknüpfung von Inhalten und Wissen. [Q1][Q2]
Abb. 2: Web 2.0 (eigene Darstellung)
Die Grundlagen für das Web 2.0 bilden einerseits User Generated Content und andererseits die sogenannte Social Software. Unter Social Software versteht man Softwaresysteme, "welche die menschliche Kommunikation und Kollaboration unterstützen". Wikis, Blogs, soziale Netzwerke und Medien Austauschplattformen können als Beispiele genannt werden. Social Software soll vor allem den Aufbau und die Pflege sozialer Netzwerke sowie virtueller Gemeinschaften (Communities) ermöglichen und fördern. [Q3]
Die aktive Beteiligung der Internetnutzer, User Generated Contend sowie die Interaktion mit und unter Webusern sind die zentralen Charakteristiken des Web 2.0. Nicht nur Technologien und Anwendungen haben sich gewandelt, sondern auch das Nutzerverhalten hat sich gravierend verändert. Im Unterschied zu Web 1.0 Plattformen, überlassen Plattformen des Web 2.0 die Erstellung und/oder Redaktion von Inhalten den Usern. Es werden lediglich Regeln definiert, die User zu beachten haben.
Peter Kruse spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager. Die Anwendungen und Tools, die das Web 2.0 bietet, haben Menschen für sich entdeckt und nutzen sie für ihre Zwecke. Diese Veränderungen lassen Menschen in ihrer Rolle als Konsument, Bürger und/oder Mitarbeiter erstarken. War anfangs die Hauptmotivation für die Nutzung des Internets Zugang zu Information zu erhalten, so sucht man heute die Beziehung zu anderen Gleichgesinnten um sich zu kollektiven Bewegungen zusammen zu schließen. [Q5]
Die Frage ob neue Technologien oder die Gesellschaft größeren Einfluss auf Phänomene im Web ausüben, ist schwierig zu beantworten. Vieles deutet jedoch daraufhin, dass vor allem das (Nutzungs-)Verhalten der Gesellschaft maßgeblich für die Veränderungen im Web beitragen. Natürlich müssen entsprechende Technologien vorhanden sein, aber ob diese genutzt werden oder nicht hängt vor allem von der Resonanz in der Gesellschaft ab. Das Web 2.0 zeigt, dass es ein Zusammenspiel von neuen Technologien (= Social Software) und die breite Annahme in der Gesellschaft (= aktive Partizipation, User Generated Content) bedarf um nachhaltige Trends im Web zu setzen. Das Web 2.0 hat es dem User ermöglicht aktiv an der Gestaltung des Webs teilzuhaben. Wären User nicht bereit gewesen Content zu erstellen, hätte sich das Internet nicht zu einer partizipativen, kollaborativen Plattform gewandelt. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. wären nicht so erfolgreich geworden, wenn User nicht gewillt sein würden Content (frei) zu kreieren und mit der Online Community zu teilen.
Berthold Brecht setzte schon vor 80 Jahren Hoffnungen in den technischen Fortschritt, damals noch im Zusammenhang mit dem Hörfunk:
"Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat [...], das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur zu hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen. Der Hörfunk könnte den Austausch, Gespräche, Debatten und Dispute ermöglichen." [Q4]
Das Web 2.0 ermöglicht nun, was Brecht vor 80 Jahren visionierte, und die Gesellschaft hat diese neuen Anwendungen und Tools angenommen und weiter vorangetrieben. Die Technik hat es möglich gemacht, doch meiner Ansicht nach hat erst das (Nutzungs-)Verhalten der Gesellschaft das Web so geformt, wie es heute ist bzw. wie es morgen sein wird.
Auch Tim Berners-Lee, Begründer des World Wide Webs, hat einmal gesagt: "Das Internet ist eher eine gesellschaftliche Erfindung, als eine technische."
Quellen:
[Q1]: Stanoevska-Slabeve, Katarina (2008): "Web 2.0 - Grundlagen, Auswirkungen und zukünftige Trends" in Web 2.0. Die nächste Generation Internet. Baden-Baden, S. 13-38.
[Q2]: Bächle, Michael; Kolb, Arthur (2010): "Einführung in die Wirtschaftsinformatik", Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH.
[Q3]: Bächle, Michael (2006): "Social Software" in Informatik-Spektrum, Volume 29, Issue 2, S. 121-124.
[Q4] Partizipation: "Partizipation & nachhaltige Entwicklung in Europa", aufgerufen am 16. Dezember 2013
[Q5] Peter Kruse: "Revolutionäre Netze durch kollektive Bewegungen", aufgerufen am 17. Dezember 2013
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