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Gedanken und Ansätze begleitend zu webscience @ JKU
06
Mai
2013

Aufbauend auf der Aussage: "Teilwahrheiten sind ein legales, strateschisches Instrument zur Überzeugung in Politik und Wirtschaft" habe ich folgenden weiterführenden Gedankengang formuliert:

"Teilwahrheiten in Politik und Wirtschaft fördern in gewisser Weise den Drang der Gesellschaft, sich an der Diskussion zu beteiligen, wenn sie der Meinung ist, dass das Verbreiten von Teilwahrheiten nicht akzeptiert werden kann."

Um diese Aussagen zu vertiefen bin ich über ein Phänomen gestolpert, welches bei den Analysen des letzten US-Wahlkampfes thematisiert wurde.

Es handelt sich hierbei um die sog. "Wahheitsunabhängige Politik", die eine große Zahl der Aussagen der Kontrahenten Obama und Romney im Vorfeld der Präsidenten Wahl geprägt hat.

"Das bedeutet, bewusst Argumente zu konstruieren, die unabhängig von den Fakten die gewünschte Wirkung in der Öffentlichkeit erzielen sollen. Wahrheit ist nur noch eine Option unter vielen." [Q1] Soweit zu der Definition, die sich bei erster Überlegung nach einem simplen Werkzeug der Wahlkampf Strategen anhört, wenn da nicht das Problem der Teilwahrheiten bzw. der politischen Lüge mit verstrickt wäre.

„Wer nichts will als die Wahrheit sagen, steht außerhalb des politischen Kampfes, und er verwirkt diese Position und die eigene Glaubwürdigkeit, sobald er versucht, diesen Standpunkt zu benutzen, um in die Politik selbst einzugreifen." [Q2] Dieses Zitat stammt aus dem Essay "Wahrheit und Politik" von Hannah Arendt, die behauptet, dass das Verbreiten von Meinungen, an statt von Wahrheiten, einen großen Aspekt in der Politik einnimmt.

Welchen Umgang mit dieser gängigen Praxis kommuniziert nun die Gesellschaft?

"Das System Wahrheit funktioniert entgegengesetzt zum System Meinung: Die Qualität einer Meinung macht ihre Begründung aus. Und ihr Überleben ist nur durch möglichst breite Zustimmung gesichert." [Q3] Diese breite Zustimmung ist ihnen gegenwärtig im großen Stil zu Teil. Die sozialen Medien, welche als Meinungsmedien auftreten, schaffen durch ihre Dynamik und ihren rasanten Rundumschlag einen Nährboden, an dem sich die Gesellschaft beteiligen kann. Dem entsprechend nimmt die Bedeutung der Wahlkampfmaßnahmen und deren Berichterstattung in den sozialen Medien stetig zu. [Q4]

Die Meinungen werden aufgegriffen und kombiniert, Fakten werden dabei ausgeklammert. Dabei entsteht weiterführend eine Berichterstattung, die den Anschein erweckt, auf Fakten zu basieren bzw. daran orientiert zu sein.

Wenn dabei auch redaktionelle Medien auf diesen Zug aufspringen, dieses Konstrukt weiterspinnen und darüber berichten, entsteht der problematische Ansatz, der das eigentliche Problem beschreibt:

Meinungen und Tatsachen werden interpretiert, kombiniert und geteilt, bis diese medial verschwommen sind.

Die Fakten sind zwar nicht vorhanden, sie wurden von der Gesellschaft hineininterpretiert!

 

[Q1]: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/post-truth-politics-sascha-lobo-ueber-die-luege-in-der-politik-a-865523.html

[Q2]: Arendt H.: Wahrheit und Politik. Berlin 2006, S. 23.

[Q3]: http://www.tagesanzeiger.ch/ipad/international/Die-Luege-in-der-Politik/story/12911614

[Q4]: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wahlkampf-in-den-sozialen-netzen-der-augenblick-zaehlt-11945233.html