Corporate Digital Responsibility: Laues Lüftchen oder kraftvoller Orkan?

anica.nacova.uni-linz, 9. Jänner 2020, 21:15

Durch die Digitalisierung werden die Wirtschaft und die Gesellschaft gleichsam in ihrer Grundordnung verändert. Die bestehenden Werte und Regeln der nicht digitalen Welt werden hierbei in Frage gestellt. An allererster Stelle kommt die Thematik wie der Schutz der Nutzer und ihrer Daten ausfallen soll. Weiterhin gibt es die großen Themenfelder wie z.B. mit der KI (Künstliche Intelligenz) umgegangen werden soll und welche Richtlinien für die Industrie 4.0 und die damit einhergehende Veränderung der Arbeitsplätze aufgestellt werden sollen. Genauso gehört hier angeführt, dass sowohl die Nachhaltigkeit wie auch die ethischen Grundsätze in Hinblick auf die Digitalisierung betrachtet werden müssen. Der Artikel wurde ausgewählt, da er den aktuellen Stand der Corporate Digital Responsibility- Maßnahmen (CDR) darstellt und dabei die wichtigen Themen der Digitalisierung, die die CDR notwendig machen, erläutert.

 

Im digitalen unternehmerischen Umfeld nimmt Corporate Digital Responsibility (CDR) immer mehr eine zentrale Rolle ein, da es die Möglichkeit bietet, die mit dem Internet einhergehende Vertrauensproblematik zu lösen. Wird die CDR richtig angewandt, kann mehr Transparenz über ethische Kriterien geschafften werden. In jüngster Zeit haben Unternehmen zahlreiche negative Beispiele hinsichtlich dem Umgang mit User-Daten und der Fairness im Internet gebracht. Allen voran geht das Unternehmen Cambridge Analytica in Korporation mit Facebook. Hierbei wurden Daten für US-Wahlkämpfe ohne die Zustimmung der Nutzer von Facebook an Cambridge Analytica verkauft. Eine weiteres prominentes negative Bespiel wird von Amazon bereitgestellt - dessen Bewerbersoftware bzw. die dahinterliegende KI Frauen bei der Vorselektion diskriminiert.1 

 

In diesem Kontext muss die Frage gestellt werden, inwieweit die neuen technischen Möglichkeiten staatlich reguliert werden müssen oder ob Leitlinien, die von den Unternehmen selber oder NGOs bzw. Verbraucherverbänden aufgesetzt werden, nicht doch sinnvoller wären. Hierbei sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass staatliche Regulierungen langsam, gebietsabhängig, starr und mit einer technischen Unschärfe versehen sind. Zudem fokussiert sich die Gesetzgebung auf die Vermeidung von missbräuchlichen Anwendungen. Nichtsdestotrotz sollten auch die mit der Digitalisierung einhergehenden Chancen beachtet werden. Ethische Richtlinien könnten sowohl die Chancen der Digitalisierung als auch deren Gefahren in die richtige Richtung leiten. Oftmals werden jedoch ethische Leitsätze von Unternehmen nur oberflächlich behandelt und kommen zu keiner realen Anwendung. Dementsprechend müssen für die Digitalisierung ethische Leitsätze gefunden werden, die sowohl messbar wie auch überprüfbar sind. Dies könnte durch Nachhaltigkeitsberichte im Rahmen der CDR erfolgen.

 

Allgemein gesehen gibt es bis heute weder auf staatlicher noch auf unternehmerischer Seite einen einheitlichen Standard. Der aktuelle Status quo kann folgendermaßen skizziert werden: jedes Unternehmen kann seine eigenen CDR-Kriterien aufstellen. Als Beispiele für Unternehmen die bereits aktiv involviert sind können Miele, REWE und die Deutsche Telekom genannt werden.1 Miele fährt bei seiner CDR-Kampagne einen Kurs, der darauf bedacht ist, die Daten der Nutzer zu schützen und die Produkte möglichst lange nutzbar zu machen. Digitale Produkte sollen dabei mit möglichst wenigen Nutzerdaten auskommen und werden darüber hinaus möglichst lange technisch unterstützt. Bei der REWE Gruppe wird die Gewichtung der Sicherheit der Kundendaten anders ausgelegt. Hier geht man davon aus, dass es notwendig ist, Kundendaten zu sammeln, um das ideale Produktportfolio anbieten zu können. Jedoch soll das Sammeln und die Auswertung der Kundendaten unter strengen ethischen Gesichtspunkten erfolgen. Die Deutsche Telekom ist bei ihrem CDR-Ansatz deutlich breiter aufgestellt. Einerseits soll für den Kunden offengelegt werden, welche Kundendaten vom System aufgegriffen worden sind und auf der anderen Seite engagiert sich die Telekom im Bereich der Cyber Security. Wie man an den vorangegangen Beispielen sieht, ist hier keine klare Linie im Umfang und Fokus der CDR der Unternehmen zu sehen. Dennoch sind die angeführten Unternehmen in einer CDR-Initiative mit dem BMJV (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) im Austausch, um eine Vereinheitlichung zu erreichen. Hierbei werden die Kernpunkte, die die CDR enthalten sollte, und die operative Handhabung ausgearbeitet. Bei diesem Konsortium sind neben den erwähnten Unternehmen noch einige Andere wie z.B. die Zeit, Otto Group, SAP und Telefónica, die bereits CDR-Ansätze haben. Nichtsdestotrotz repräsentieren die genannten Unternehmen nicht die Mehrheit der deutschen Online-Unternehmenskultur (auf Deutschland gesehen). Zudem haben die angeführten Unternehmen, wie beschrieben, heterogene CDR-Ansätze.1,2 Das Paper von Thorun, Kettner und Merck „Ethik in der Digitalisierung“ unterstützt die Hypothese, dass nur teilweise die CDR von deutschen Unternehmen angewandt wird. Diese Tatsache wurde bei der Prüfung der DAX-30 Unternehmen hinsichtlich ihrer Übernahme von Verantwortung im Digitalbereich festgehalten. Dabei wurde auch festgestellt, dass CDR nicht im vollen Maße gelebt wird, sondern meistens nur die Kernthemen Datenschutz und Datensicherheit bearbeitet werden.3 

 

Die bestehenden Ansätze haben zum Teil auf nationaler und internationaler Ebene sowohl Schnittmengen als auch Unterschiede. In Deutschland wird bei der Gestaltung der CDR besonders Wert auf KI, digitale Bildung und Arbeit 4.0 gelegt. Im amerikanischen Raum wird der Hauptfokus auf die Verantwortlichkeit von Unternehmen gelegt. Wie weit diese Ansätze flächendeckend vereinheitlicht ausgerollt werden, bleibt abzuwarten. Als Erstes muss eine einheitliche Auffassung der Grundsätze der CDR geschaffen werden. Dann muss eine klare und einheitliche Verankerung der CDR innerhalb einer Organisation festgesetzt werden.1  Die Forderung nach einem einheitlichen Ansatz mit einer praktischen Handhabung wird ebenso durch die Autoren Thorun, Kettner und Merck unterstützt. Dabei geht die Forderung der Autoren Thorun, Kettner und Merck noch ein Stück weiter. Hier wurde als erster Schritt die Schaffung einer gemeinsamen gesellschaftlichen Vision für nachhaltige, digitale Gesellschaft gefordert. Weiterhin wurde betont, dass zum einem die bestehenden Best-Practice-Ansätze stärker public gemacht werden müssten und zum anderem gemeinsam innerhalb von Plattformen an CDR-Lösungen gearbeitet werden müsste, um Entwicklungskosten einzusparen.3 Zudem muss auf operativer Seite noch entschieden werden, welcher Abteilung die CDR zugeteilt wird. Die CDR bringt dabei das Potential für Unternehmen ihre Kunden zu binden, indem sie mit Leuchtturmprojekten ihre Integrität innerhalb von sensiblen Bereichen, wie z.B. dem Datenschutz, untermauern.

 

Unterstützung können die Unternehmen bei der Entwicklung ihrer CDR-Konzepte z.B. von Wirtschaftsprüfer wie Deloitte und PwC sowie von Beratungs- und Technologieunternehmen wie Accenture, erhalten. Des Weiteren gibt es noch Unternehmens-Initiativen wie die Charta Digital Vernetzung, deren Mitglieder sich zu den unterschiedlichen Grundsätzen der Initiative bekennen. Unteranderem zählt auch die digitale Verantwortung zu den zehn ausgearbeiteten Grundsätzen. Auch auf EU-Ebene sind Aktivitäten hinsichtlich Ethik und Regulierung ersichtlich. Die Schweiz hat bereits einen Think Tank sowie eine Stiftung für „Digitale Ethik“ gegründet. Festgehalten werden kann, dass die Umsetzung der CDR bereits an verschiedenen Stellen und durch unterschiedliche Akteure bereits im Gang ist.1

 

Fazit:

Die Digitalisierung wird zum Teil von Unternehmen in der jeweiligen eigenen Version einer CDR berücksichtigt. Jedoch fehlen eine Leitlinie und eine Vereinheitlichung hinsichtlich der zu behandelnden Themen. Die Themengebiete und die Auslegung der Themen, die bereits von Unternehmen innerhalb der CDR abgedeckt werden, variieren stark. Die Digitalisierung bringt eine Vielzahl an kritischen Themenfeldern mit sich. Angefangen mit der Veränderung der Arbeitsplätze und der steigenden Gefahren für die Datensicherheit im Netz ist hier eine Bearbeitung von allen Themengebieten notwendig, um dem digitalen Wandel gerecht zu werden. Betrachtet man den Onlinehandel, der eine riesige Datenkrake darstellt und in welchem Big Data Analytics auf sensible Kundendaten angewandt wird, wird klar, dass Datensicherheit eine große Rolle spielt. Der UNCP (United Nations Guidelines for Consumer Protection) hat dementsprechend erstmalig das Thema Datensicherheit als Kernthematik für Konsumentenschutz aufgegriffen, wie auch in dem Paper „Corporate Digital Responsibility:  Unternehmerische Verantwortung in der digitalen Welt“ von Christian Thorun angeführt wird. Dennoch scheint es problematisch zu sein, dass die Digitalisierung in den führenden CSR-Reports (Corporate Social Responsibility) nicht explizit als eigener Themenpunkt auftaucht, sondern eher vernachlässigt wurde. Für Unternehmen bietet sich die CDR als Möglichkeit an, um vor den Kunden hinsichtlich eines transparenten Umgangs mit persönlichen Daten positiv aufzufallen. Wer letztendlich der CDR den nötigen Rahmen zuführt, bleibt abzuwarten. Ob hier eine rechtliche Regulierung notwendig sein wird oder ob Unternehmen, NGOs und Konsumentenverbände mit den entsprechenden Best-Practice-Ansätzen/ -Richtlinien die Führung übernehmen, wird sich zeigen. Letztendlich muss klar festgelegt werden, welche Abteilung in einem Unternehmen die entsprechenden Richtlinien durchsetzt. Da die Digitalisierung und die einhergehenden Problematiken omnipräsent sind, kann davon ausgegangen werden, dass die CDR früher oder später bei allen Unternehmen eingeführt werden muss.

 

 

 

Hauptliteratur:

1 Merx, O. (2019): Corporate Digital Responsibility: Laues Lüftchen oder kraftvoller Orkan? In: eStrategy Magazin, 40 (3), S. 44-49. https://www.estrategy-magazin.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=6872&token=fec4e58cd670183710f83f28fcbe85abee319c46 [abgerufen am 8.1.2020]

Literatur:

2 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2019): CDR-Initiative. Eine gemeinsame Plattform. https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/CDR_Initiative/_downloads/cdr_plattform.pdf?__blob=publicationFile&v=3  [abgerufen am 8.1.2020]

3 Thorun, C., Kettner, S.E. & Merck, J. (2018): Ethik in der Digitalisierung: Der Bedarf für eine Corporate Digital Responsibility. WISO Direkt, (17). Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik
, Bonn. https://library.fes.de/pdf-files/wiso/14691.pdf [abgerufen am 8.1.2020]

4 Thorun, C. (2018): Corporate Digital Responsibility: Unternehmerische Verantwortung in der digitalen Welt. In: Gärtner, C. & Heinrich, C. (Hrsg.), Fallstudien zur Digitalen Transformation, S. 173-191. Springer Gabler, Wiesbaden. DOI: https://doi-1org-1um9stgbn018d.han.ubl.jku.at/10.1007/978-3-658-18745-3_9

 

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