Partizipativer Journalismus - Eine Begriffserklärung

Bowmann und Willis definierten partizipativen Journalismus als: "The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information."

Engesser ist der Ansicht, dass partizipativer Journalismus sich mit neun verschiedenen Begriffen umschreiben lässt, welche in drei verschiedene Gruppierungen unterteilt werden: Prozess, Profession und Partizipation.

 
              Abbildung: Partizipativer Journalismus (Q5, S. 65)

 

Der Prozess, bestehend aus "Kollaborativer Journalismus", "Open-Source-Journalismus" und "Peer-to-Peer-Journalismus", bedeutet das die Nutzer bei der Herstellung, Überarbeitung/Verbesserung und Veröffentlichung von Berichten aktiv beteiligt sind.
Die Profession unterscheidet dabei, dass die Personen, die Berichte verfassen diese Tätigkeit nicht beruflich ausüben und sich damit nicht ihren Lebensunterhalt verdienen.
Die Partizipation umfasst den "Graswurzeljournalismus", "Bürgerjournalismus" und "partizipativer Journalismus". In diesem Bereich geht es vor allem darum, dass die Bürger sich aktiv und kommunikativ in den Medien beteiligen.

Diese drei Bereiche umschreiben nach Engesser (Q5) den Begriff partizipativen Journalismus, den er wie folgt definiert: "Partizipativer Journalismus beteiligt die Nutzer zumindest am Prozess der Inhaltsproduktion, wird außerhalb der Berufstätigkeit ausgeübt und ermöglicht die aktive Teilhabe an der Medienöffentlichkeit." Diese Definition wurde nach Engesser und Wimmer (Q4) geändert, sie sagten aus, dass "...die Nutzer maßgeblich am Prozess der Inhaltsproduktion..." beteiligt sind.

Zusammenfassend bedeutet dies, dass jeder Mensch an dem Austausch von gesellschaftlichen, persönlichen, politischen, etc. Themen aktiv beteiligen und dazu seine Meinung oder die öffentliche Meinung äußern kann.

Erscheinungsformen des partizipativen Journalismus

Partizipativer Journalismus ist nicht ein Phänomen, welches erst mit  dem Web auskam, bereits im 18.Jahrhundert wurde die Art von Journalismus verwendet.  Zum einen konnten Leser aktive bei der Gestaltung der Heimatzeitschrift mitwirken und auch Leserbriefe einsenden. Weitere Entwicklungen waren das Hörer- bzw. Zuschauertelefon, die Alternativpresse, Nicht-Kommerzielle Radios sowie offene Kanäle. Letzeres setzt allerdings die aktive Mitarbeit von Bürgern voraus, da diese das Programm selber gestalten können. (Q1, S.54-60; Q5, 50-56).

Mit der Einführung des Internets und der vielfältigen Möglichkeiten im World Wide Web kamen neue Formen des partizipativen Journalismus hervor. Als Beispiele sind hier Weblogs und Microblogs und Wikis anzuführen. Diese können grundlegend  vier Kategorien aufteilt werden (siehe Tabelle) (Q2; Q5,57)

 
Kategorien Beschreibung Beispiele
Webblogs Blogs, Microblogs,
von Einzelpersonen
Twitter
Kollektiveformate "unkorrigiertes" Publizieren
von Gruppen;
Bewertung u.Kommentieren v. Beiträgen
Youtube, Wikpedia
prof.-partizipative
Nachrichtenseiten
 "korrigiertes" Publizieren Readers Edition,
OhmyNews
Leserreporter-Rubrik  Leser stellen Redaktion
Medieninhalte zur Verfügung
 1414-App
(Bild-Zeitung)

             Formen des partizipativen Journalismus (eigene Darstellung)

Den Hauptbereich bilden die Weblogs, welche in verschiedenen Formen und Typologien angewendet werden können. Nach Armborst, (Q1, S.30) lassen diese sich in: Experten-Blogs, Watchblogs, Warblogs, J-Blogs, Untergrund-Blogs und Blogs in PR und Werbung unterteilt. Ausgeschlossen wurden dabei private Blogs, die auch einen wesentlichen Beitrag zum partizipativen Journalismus leisten. Neben dem Weblog gibt es auch die sogenannten Microblogs wie beispielsweise Twitter, Identica, Tumblr bei denen kurze Statements und Kommentare gepostet werden. Der Unterschied zwischen anderen Formaten ist, dass Blogs in der Regel von einer einzelnen Person geschrieben werden und über einen Zeitraum hinweg immer neue Beiträge in dem Blog hinzukommen. (Q1, S.61-78)

Kollektivformate sind Webinhalte die von einer Gruppe von Personen bereitgestellt werden. Darunter fallen auch Wiki-Plattformen wie Wikipedia, Wikinews und Indymedia.(Q1, S.78; Q4; Q5, S.57), aber auch Multimediaformate wie Foto, Audio und Video. Die erstellten Beiträge können zusätzlich von anderen Personen bearbeitet und kommentiert werden. Im Gegensatz zu den professionellen-partizipativen Nachrichtenformaten unterliegen die veröffentlichten Berichte keiner Kontrolle. Das bedeutet, dass hier die Inhalte kritisch hinterfragt werden müssen. Eine weitere Form des Kollektivformates sind die sogeannten sozialen Nachrichtenformate (= Social-News-Sites). Dabei können erstellte Inhalte bewertet werden. Mit Hilfe der Bewertungen können die Positionierungen der Beiträge beeinflusst werden, das bedeutet, dass Beiträge mit sehr guten Bewertungen weiter oben erscheinen, als welche mit keiner oder schlechteren Bewertungen. (Q1, S. 78-84)

Unter professionell-partizipative Nachrichtenseiten werden Inhalte verstanden, die Redaktionen und Journalisten einer Community zur Verfügung stellen und diese dann von den Nutzern zu eigenständigen Berichten verarbeitet werden können. (vgl. Q4) Das besondere an diesem Format ist, dass die geschriebenen Beiträge von den Journalisten kontrolliert werden, das bedeutet das versucht wird, gewissen journalistische Standards einzuhalten und die "Amateur"-Schreiber zu ermutigen möglichst professionell zu arbeiten. (Q1,S.91-95) Eine relativ unbekannte Plattform ist "Readers Edition", hier können Personen ihre eigene Meinung publizieren. Zusätzlich stehen ihnen Ansprechpartern zur Verfügung die helfen die Artikel zu verbessern und Hilfestellung leisten. Da das ganze unentgeltlich erfolgt gehört diese Plattform auch zum partizipativen Journalismus. (Q3, S. 81-84)

In der Leserreporter-Rubriken  werden die Nutzer/Leser dazu aufgefordert Beiträge in Form von Bildern, Anregungen, Berichten, ect. an die Redaktion zu schicken. Diese verwendet die zur Verfügung stehenden Inhalte für eigenständige Beiträge die anschließend veröffentlicht werden. (Q1, S. 89ff) Die Leser/Nutzer sind in erster Linie keine eigenständigen Journalisten sondern liefern nur Informationen und Material. (Q4) Die Bild-Zeitung gehörte zu den ersten Zeitungen die dieses Format einführten, inzwischen haben sie die 1414-App eingeführt, mit der die Leser noch schneller Inhalte zur Verfügung stellen können.(Q6)

Um partizipativen Journalismus auszuüben gibt es zahlreiche verschiedene Möglichkeiten. Betrachtet man das eigentlich publiziert im Internet fast jeder in Form des partizipativen Journalismus. Selbst wenn wir nur etwas kommentieren drücken wir dadurch unsere Meinung zu einem Thema aus und beteiligen uns somit aktiv am Prozess des Erstellens.

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(Q1) Engesser, Sven (2013): Die Qualität des partizipativen Journalismus im Web. Springer Verlag, 2013

(Q2) Engesser Sven, Wimmer Jeffrey (2009): Gegenöffentlichkeit (en) und partizipativer Journalismus im Internet (http://journalistik-journal.lookingintomedia.com/?p=143) aufgerufen am 26.05.2014.

(Q3) Klass Kathrin, Roeßle Katherina (2009) World Wide Writing: Bürgerjournalismusportale – Journalistischer Anspruch oder Plattform zur Selbstdarstellung. IN: Spachmann Klaus (Hrsg.): Journalismus im Internet-Zeitalter - Ergebnisse von Fallstudien. Kommunikation & Analysen, Band 6. S. 81 - 94).

(Q4) Engesser Sven, Wimmer Jeffrey (2008): Renaissance der Gegenöffentlichkeit – Potentioal des partizipativen Internet-Journalismus (http://journalistik-journal.lookingintomedia.com/?p=143) aufgerufen am 26.5.2014

(Q5) Engesser, Sven (2008): Partizipativer Journalismus. Eine Begriffsanalyse. In: Zerfaß, Ansgar/ Martin Welker/Jan Schmidt (Hrsg.): Kommunikation, Partizipation, und Wirkungen im Social Web. Herbert v. Harlem Verlag, 2008, S. 47-71

(Q6) Spier, Astrid (2013): Bild führt 1414-Leser-Reporter-App ein. (http://webmagazin.de/mobile/apps/Bild-fuehrt-1414-Leser-Reporter-App-ein-167670) aufgerufen am 26.05.2014.





stephan.hackl.uni-linz am 04.Jun 14  |  Permalink
Interessant...

... wie in deinem Statement die Erscheinungsformen kategorisiert sind. Ich habe Ähnliches in der Literatur gefunden, war dann aber doch der Meinung, dass das für meinen Geschmack zu weit gefasst, bzw. zu ungenau gruppiert ist.
bei der Beschreibung der Erscheinungsformen, speziell im Web, habe ich mich eng an Engesser's Kategorisierung angelehnt und die einzelnen Formen unter Zuhilfenahme redundanter quellen beleuchtet.
Etwas zuwenig finde ich die Begrifflichkeiten behandelt, welche bei Interesse aber in allen Ihren Ausprägungen gerne in meinem Statement zu dem Thema nachgelesen werden kann.


Ähnlicher Aufbau

Ich habe meinen Blogbeitrag sehr ähnlich aufgebaut und auch inhaltlich lassen sich viele Übereinstimmungen erkennen. Wie ich finde, hast du einen sehr guten Überblick über das Thema geschaffen, welches ja wirklich sehr umfangreich ist. Auch ich habe die drei semantischen Felder (Prozess, Profession, Partizipation) angeführt, weil sie meiner Meinung nach eine interessante Gruppierung der dargestellten Begriffe bildet. Im Zuge meiner Recherche zu diesem Thema, wurde ich auch noch auf den Begriff des Social-Media-Journalismus aufmerksam, welchen ich in meinem Beitrag noch zusätzlich angeführt habe.