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Donnerstag, 29. September 2005
Partizipatorischer Journalismus
„Participatory Journalism: The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires.“ [Bowman/ Willis, 2003, S.9]

Sieht man die Aufgabe des Journalismus in dem Sammeln, Bearbeiten und Verbreiten von Informationen, wird nicht vorausgesetzt, dass diese Arbeiten von Professionisten ausgeführt werden. Will man die „Vormachtstellung“ der professionellen Journalisten wahren, bedarf es mehr als einer Zusicherung von Fairness und Objektivität in der Berichterstattung. Für die Rezipienten ist es wichtiger freien Zugang zu den Informationen zu haben und zu wissen, dass diese unabhängig von kommerziellen Interessen dargestellt werden, als die Illusion der objektiven Nachrichten eines Medienunternehmens. Je mehr Personen an einem Thema arbeitend, desto besser wird das Ergebnis. Vorraussetzung für den Erfolg ist die Lösung von hierarchischen Strukturen, nach denen Informationen bestimmte Wege durchlaufen müssen, um an die Öffentlichkeit gelangen zu können. Das Prinzip der „Top-down“ Kommunikation, auch „Push- Kommunikation“ genannt, steckt dahinter. Der Informationsfluss ist weitgehend vorgeschrieben und gelenkt wird. So gelangt die Nachricht erst an die Öffentlichkeit, nachdem der Weg durch die Redaktion und dem Chefredakteur gegangen wurde. Die Informationen werden vorweg ausgesucht und gefiltert, sodass das Publikum nur beschränkten Einblick in die tatsächlichen Geschehnisse bekommt oder teilweise gar nicht über etwas informiert wird. Die Funktion der Journalisten und Redakteure als Gatekeeper ist hier deutlich zu spüren. Sie sind es, die aktiv die Informationsschleusen nach ihren Bestimmungen öffnen und wieder schließen. Partizipatorischer Journalismus funktioniert hingegen nach dem „Bottom-up“ Prinzip, das auf eine netzwerkartige Kommunikationsstruktur baut, Kollaboration voraussetzt und Gleichheit der Beteiligten über die Rentabilität des Produktes stellt. Keiner der Kommunikationsteilnehmer hat eine vorgeschriebene Rolle, jeder wird abwechselnd vom Autor zum Rezipienten und umgekehrt. Die Entstehung einer Nachricht erfolgt im Kollektiv, die Recherche fällt nicht auf eine Person oder Gruppierung zurück, sondern verteilt sich auf das ganze Kommunikationsnetzwerk, in dem jeder den gleichen Stellenwert hat. Auch Interessensgemeinschaften steuern in dieser Kommunikationsform ihren Teil bei. Eine dieser Communities ist die Blogosphäre, in deren Raum durch Diskussion und Erfahrungsaustausch neue Gedanken entstehen oder Tatbestände angezweifelt werden. Das Produkt der Blogosphäre geht an die anderen Kommunikatoren weiter. So nimmt die Nachricht ihren Lauf. Communities können im Rahmen der „bottom-up“ Kommunikation genauso Informationslieferanten sein wie professionelle Journalisten. Es besteht weder eine Hierarchie noch eine Schleuse zwischen den einzelnen Kommunikationsteilnehmern. Die Symbiose von Sender und Empfänger beschreibt John Seely Brown, Wissenschafter von Xerox, folgendermaßen:

„In an era when anyone can be a reporter or commentator on the Web, you move to a two-way journalism. The journalist becomes a ‚forum leader’ or a mediator rather than simply a teacher or lecturer. The audience becomes not consumers, but ‚pro-sumers’, a hybrid of consumer and producer.“ [Brown, zit. nach Bowman/ Willis, 2003, S. 9]

Partizipatorischer Journalismus verbreitet sich schnell und erfreut sich großer Beliebtheit, zumindest bei dem bisher aus dem Publikationsprozess ausgeschlossenen Publikum. Generell lässt sich die publizistische Kooperation in folgende Kategorien einteilen:
  1. Partizipation der Leser in News Outlets der Mainstream Medien. Z.B. in den Weblogs professioneller Journalisten wie Dan Gillmor, in Diskussionsforen von Zeitungen o.ä.
  2. Kooperation von Independent News und Information Websites. Nischenpublikationen, Kundeninformationen, Stadtnachrichten etc. werden von Amateuren oder unabhängigen Journalisten verfasst und in eine größere Nachrichtenplattform eingegliedert. Z.B. Biased BBC.
  3. Partizipation gleichgestellter Mitglieder auf eigenen News-Plattformen, wie der südkoreanische Weblog OhmyNews. Bürgerjournalisten liefern First-Person Reports von aktuellen Ereignissen. Das E-Journal von Dan Gillmor .
  4. Das Sammeln von Informationen auf kollaborativen Medienseiten, wie Slashdot.org. Die User veröffentlichen Inhalte oder nur Links zu interessanten Neuigkeiten auf einer Plattform, die Bestandteile von Weblogs und Diskussionsforen mischt.
  5. „Thin Media“ Partizipation in Form von Mitwirkung an Mailinglisten, E-Mail Newslettern, o.ä.
  6. Veröffentlichung der eigenen Materialien auf Personal Broadcasting Sites. Aus auf einer Website gesammelten Audio- und Videoinhalten vieler Personen entstehen neue Produkte, wie z.B. KenRadio.com. Hier werden Materialien zusammengezogen und in Form einer Radiosendung veröffentlicht. [Vgl. Lasica, 2003]

Partizipation ist ein unaufhaltsames Phänomen, viele haben das Potential der Publikationsnetzwerke erkannt und verwerten die Produkte des partizipatorischen Journalismus in den verschiedensten Formen. Die genannten Kategorien nach J.D. Lasica, Chefredakteur von Online Journalism Review, sind nur einige der vielen parallel laufenden kooperativen Publikationsformen.

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Bürgerjournalismus
Bürgerjournalismus, Citizen-Journalism, Publizieren für Jedermann oder schlicht und einfach Blogging. Jeder kann seine Meinung, Erfahrungen oder Erlebnisse ohne großen Aufwand öffentlich kundtun. Das Schlagwort „Bürgerjournalismus“ steht vor allem in Zusammenhang mit Ereignissen, von denen Augenzeugen kurze Zeit später berichten. Der 11. September 2001 war das erste große Desaster, das nicht nur aus der Sicht der Mainstream Medien diskutiert und dargestellt wurde, der Tsunami in Asien am 26.Dezember 2004 lieferte ein Vielfaches an Beiträgen aus der Bevölkerung. Weltweit stellten Überlebende Fotos, Videos und Berichte online, um ihre Eindrücke mit anderen zu teilen. Katastrophen, die die mediale Entwicklung in ein „davor“ und ein“ danach“ einteilen.

There will be before t sunami and after the tsunami.

Die digitalen Technologien, wie das World Wide Web, E-Mail, Weblogs, Digitalkameras, Handys mit Kameras, machten es für jeden möglich sich eindrucksvoll an ein breites Publikum zu wenden. Dan Gillmor stellt diese These auf und verdeutlicht damit das dadurch gewachsene Ansehen von Bürgern als Reportern. Er prognostiziert, dass es auf dieses Ereignis bauend in den nächsten Jahren selbstverständlich sein, dass die „Citizen Reporter“ Hand in Hand mit professionellen Journalisten arbeiten werden was Ereignisse betrifft. Einige wenige Mainstream Medien haben schon jetzt das Potential der Blogger erkannt und deren Beiträge in die eigenen Berichterstattung eingebaut. BBC News Online, beispielsweise, hat Augenzeugenberichte, Geschichten über die Suche nach Verschollenen, Fotos Überlebender und ein Amateurvideo zur authentischen Darstellung der Naturkatastrophe einbezogen. The Guadian hat eine eigene Seite erstellt, auf der zu ein paar aussagekräftigen Blogs verwiesen wird. „We’re still in the age when this type of news is, by definition, scattered and not aggregated.“ [Dan Gillmor, zit. nach Outing, 2005] Um noch mehr aus den Produkten des Bürgerjournalismus zu machen, bedarf es wohl noch etwas Zeit. Skepsis und die Angst vor weitgreifenden Veränderungen prägt (zu unrecht) wohl noch die meisten Medienunternehmen. Doch wenn sie es nicht sind, die das Potential wahrnehmen und aufgreifen, wird es eine andere Branche an sich reißen. [Vgl. Outing, 2005] Blogger erweitern die Medienlandschaft und sollten als solche auch sinnvoll integriert werden. Michael Feldmann, Lektor an der University of Boston, weist auf folgende Stärken von Citizen Journalists (CJ) hin:
  • CJ sind allgegenwärtig und somit meistens die ersten, die über Ereignisse berichten können.
  • CJ sorgen für eine Vielfalt an Meinungen und Perspektiven im Gegenzug zur oft einheitlichen Darstellung in den Mainstream Medien.
  • CJ regen Diskussionen an und lagen ihre Leser ein ihre Meinung zu äußern, während Mainstream Journalisten meist sehr distanziert zu ihrem Publikum
    arbeiten.
  • CJ stellen ein Netzwerk von Personen verstreut über die Welt, mit verschiedenem Wissen, verschiedenen Erfahrungen dar und können so schnell und erfolgreich Falschmeldungen der Mainstream Medien aufdecken und korrigieren. CJ bilden sozusagen ein selbstorganisiertes Expertennetzwerk.
  • CJ sind aufgrund ihrer netzwerkartigen Verbundenheit mächtig und können
    gemeinsam für Aufsehen sorgen sowie Missstände aufdecken.
  • CJ halten Stories länger am Leben als Mainstream Medien. Scheinbar von der Oberfläche verschwundene Themen werden immer wieder aufgegriffen und
    neu thematisiert. [Vgl. Feldman, 2005]

    Citizen Journalists stellen somit keinen Ersatz für professionelle Journalisten dar, sie sind eine gute Ergänzung zur Mainstream Berichterstattung, decken zum Teil andere Themenbereiche ab und zeichnen sich durch Subjektivität und Authentizität aus.

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Mittwoch, 28. September 2005
Kooperatives Publizieren mit Weblogs
Eine interdisziplinäre Untersuchung informationstechnischer Entwicklungen hinsichtlich neuer journalistischer Methoden, insbesondere dem partizipatorischen Journalismus.

Auszüge aus der Diplomarbeit von Kristina Mittendorfer
Publizistik- und Kommunikationswissenschaften
Universität Wien, April 2005

Die gesamte Diplomarbeit: kooperatives publizieren mit weblogs (pdf, 2,924 KB) zum Download.


Kontakt: k.mittendorfer (AT) gmx (DOT) net


Der Inhalt:

Einleitung.

Weblogs sind Oszillationsmedien.

Vom Gatekeeper zum Content-Manager.

Kollaborateure.

Partizipatorischer Journalismus.

Bürgerjournalismus

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Kollaborateure
Das Internet baut auf eine Kommunikation, die auch als Nischenkommunikation bezeichnet wird. Die Kommunikatoren sind in diesem Fall Individuen, die einander persönlich unbekannt sind und trotzdem (regelmäßig) miteinander in Verbindung stehen, sich unterstützen und gemeinsam Ideen entwickeln oder diskutieren. Jeder kann sich aktiv an der Unterhaltung beteiligen, jeder wird zu einem Kollaborateur der Kommunikationswelt.
Das Publikum übernimmt die Rolle von Autoren, Redakteuren, Content Creators (Digitale Fotos, Videos, Audioclips), Kommentatoren, Dokumentatoren, Wissensmanagern und sogar Verkäufern (z.B. Amazon Buchrezensionen). Was motiviert die bislang passiven Rezipienten sich aktiv zu beteiligen und in diese neuen Rollen zu schlüpfen? Das Internet bietet seinen Nutzern mehr als Informationen, ebenso wesentlich ist die Bildung von sozialen Netzwerken. Amy Jo Kim, Expertin für Online Communities, versucht die Frage nach der Motivation zur Partizipation im Internet ausgehend von Abraham Maslows „Hierarchie der Bedürfnisse“ zu beantworten.
http://www.hypergene.net/wemedia/download/we_media.pdf
Aus dieser Sicht beteiligen sich Personen an der Kommunikation im Internet, um zu einer Gruppe zu gehören, um das eigene Selbstwertgefühl durch das Leisten eines Beitrags zu stärken, um Anerkennung zu gewinnen und um sich selbst zu verwirklichen. Bowman und Willis haben im Rahmen ihrer Untersuchung des partizipatorischen Journalismus aufgrund von Umfragen und Interviews folgende Gründe zur Teilnahme erkannt:
  • Um Status und Ansehen in einer Gruppe zu erlangen: Soziale Anerkennung ist die größte Motivation zu partizipieren. Blogger, z.B. wollen sich einerseits als Experten zu einem bestimmten Thema repräsentieren und andererseits mit ihren Beiträgen oftmals mit den Mainstream Medien konkurrieren, um deren Vormachtstellung anzugreifen. Neben der Suche nach Bestätigung und Anerkennung, sehen Blogger die Chance durch ihre Publikationen auch Vorteile in der Geschäftswelt herausholen zu können. Sie jene die Möglichkeit ihre Stimme zu erheben, die in den hierarchischen Strukturen nie angehört wurden.
  • Um Kontakt zu Interessenspartnern aufzubauen: Viele Communities im Internet stellen Interessensgemeinschaften dar, die sich außerhalb der virtuellen Welt nur schwer gefunden hätten. Die Online Communities, wie auch die Blogosphäre, ermöglicht den Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten, sie aufgrund räumlicher Distanzen o.ä. sonst nie getroffen hätten. Der Soziologe Barry Wellman bezeichnet dieses Phänomen im Internet als „glocalisation“- das Zusammenbringen von Leuten hinweg über zeitliche und räumliche Grenzen.
  • Zur Klärung und zum Verständnis: Die überwältigende Informationsflut in einer breiten Masse an Quellen bringt die Internetnutzer dazu, Hilfestellung und Erklärung von Sachverhalten in Communities zu suchen. Ein wesentlicher Grund, warum sich Weblogs großer Beliebtheit erfreuen sind die kommentierenden Beiträge zu Geschehnissen rund um die Welt. Die neutrale Darstellung von Themen reicht den Rezipienten oft nicht aus, sie wollen mehr Zusammenhänge als ihnen die Mainstream Medien liefern.

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Von Gatekeepern und Kollaborateuren
Mit der ständig zunehmenden Menge an Informationen muss auch die Fähigkeit der Medienrezipient wachsen, diese sinnvoll aufzunehmen und zu verarbeiten. Fakten-, Prozess- und Strukturwissen unterscheiden zu können ist in Hinsicht auf Medienkompetenz unerlässlich. Medien, auch das Internet als interaktives Medium, bieten vor allem eine unüberschaubare Menge an Fakten, Verbindungen mittels seines Prozesswissens zu schaffen wird oft dem Rezipienten überlassen, beispielhaft dafür sind Suchmaschinen. Sie liefern nach einem Algorithmus gereihte Informationsquellen und überlassen es dem Nutzer selbst zu prüfen, ob die gesuchten Zusammenhänge gegeben sind. Um wirkliche Medienkompetenz zu zeigen, ist jeder aufgefordert mit seinem individuellen Strukturwissen die prozessoral verknüpften Fakten hinsichtlich gesellschaftlicher Strukturen zu bewerten, also der Frage nachzugehen wie die Medienprozesse mit sozialer Wirklichkeit zusammenhängen.

Eine weitere wichtige Eigenschaft, um ans Ziel seiner Informationssuche zu gelangen, ist die Fähigkeit des Mediennutzers zur Quellenkritik. Er muss seine Informationsquelle beurteilen können was Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit betrifft. Diese Aufgabe gestaltet sich umso schwieriger, je vielfältiger und somit unübersichtlicher das Medienangebot wird. [Vgl. Groebel, 2003, S.355f]
Medienkompetent zu handeln ist somit ein komplexer Vorgang, weshalb die Nutzer Unterstützung bei der Informationsermittlung suchen und die Arbeit medialer Schleusenwärter (Gatekeeper) oder Content-Manager gerne annehmen. Die Anforderungen auf Seiten der Informationslieferanten liegen nach Habermas in der kommunikativen Kompetenz. Darunter versteht er die Fähigkeit eines Sprechers einen wohlgeformten, d.h. den grammatikalischen Regeln konformen, Satz in Realitätsbezüge einzubetten. Die zentrale These von Habermas’ Ansatz ist, dass jeder kommunikativ Handelnde, der an einem Verständigungsprozess teilnehmen will, weiß dass, eine Reihe von Ansprüchen sowohl von ihm als auch von seinem Kommunikationspartner anerkannt werden müssen. Dazu zählen:
  • Der Anspruch der Verständlichkeit: Jeder Teilnehmer weiß, dass er sich verständlich ausdrücken muss, d.h., er muss sprachliche Ausdrücke formulieren, die auf das gemeinsame grammatikalische Regelsystem bauen. Abweichungen
    könnten zu Missverständnissen oder Unverständlichkeit führen.
  • Der Anspruch auf Wahrheit: Jeder Teilnehmer weiß, dass er einen wahren Inhalt mitteilen muss, d.h. er muss über etwas sprechen, dessen reale Existenz nicht nur von ihm, sondern auch von seinem Kommunikationspartner unterstellt
    wird.
  • Der Anspruch der Wahrhaftigkeit: Jeder Teilnehmer weiß, dass er die Absicht haben muss, sich bei der Kommunikation verständlich zu machen. Er muss den Willen zur Selbstdarstellung haben, damit sein Gegenüber ihm auch vertrauen
    kann.
  • Der Anspruch der Richtigkeit: Jeder Teilnehmer weiß, dass er eine Äußerung wählen muss, die es erlaubt, dass sich Sprecher und Hörer miteinander verständigen. Die Aussage hat hinsichtlich gesellschaftlicher bzw.
    interindividuell anerkannter Werte und Normen „richtig“ zu sein, sodass sie auch vom Hörer akzeptiert werden kann. [Vgl. Burkart, 1998, S426ff]
Habermas’ Gerüst für eine funktionierende Kommunikation lässt sich auf die Kommunikation im Internet umlegen. Im Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums werden jene gewinnen, die dem Kommunikationspartner das Gefühl vermitteln, ehrlich, aufrichtig und verständlich informiert zu werden. In den folgenden Kapiteln wird die Beziehung zwischen den Kommunikatoren im Internet behandelt. Ist hier das traditionelle Modell von Informationsschleuse und passivem Empfänger noch aufrecht oder kommt es zu Grenzauflösungen, bei denen Leser und Autoren im Wechselspiel stehen?


Literatur:
Burkart, Roland (1998): Kommunikationswissenschaft, Grundlagen und Problemfelder. Wien.

Groebel, Jo (2003): Schlüsselqualifikation Medienkompetenz. In: Klumpp, Dieter/
Kubicek, Herbert/ Roßnagel, Alexander (Hrsg.): Next generation informations society? Notwendigkeit einer Neuorientierung. Mössingen-Talheim. S.349-361.

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Weblogs sind Oszillationsmedien
Weblogs gehören zu einer relativ neuen Form des kooperativen Publizierens und sindWebpages, die mittels eigener Software erstellt werden, aus kurzen umgekehrt chronologisch gereihten Einträgen bestehen, regelmäßig aktualisiert werden und dessen Entwicklungsgeschichte archiviert wird. Blogs fallen sowohl in die Gruppe der one-tomany (Individual Blogs) als auch in die many-to-many (Group Blogs) Kommunikation. [Vgl. Bowman/
Willis
, 2004, S.22f] Bei Individual Blogs verfasst eine Person Weblog Beiträge, die sich an viele Leser wenden, während Group Blogs von mehreren Personen verfasste Texte enthalten. Die Kooperation findet hier schon in der Entwicklungsphase einer Idee statt und richtet sich wiederum an eine große Leserschaft. Die Rolle einer Person in einem Weblog ändert sich ständig – Autor, Leser, Kommentarverfasser, Moderator, …
Inselmedium oder Oszillationsmedium? Diese Frage ist hinsichtlich Weblogs leicht beantwortet. Waren Websites von Medienunternehmen beispielsweise bislang eine identische, elektronische Version des Printproduktes, sind Weblogs fernab dieser Publikationsform. Sie sind durchaus Informations- und Medienseiten, aber keine in sich geschlossenen, nach außen abgegrenzten Inselmedien.

Als Inselmedien bezeichnet man, u.a., Websites, die sich zu Inseln im Cyberspace formiert haben, nicht nach außen verweisen, für sich eine kompakte Einheit darstellen und die Hypertextualität des Internets nur insofern nutzen, als dass sie vorwiegend interne Verknüpfungen herstellen.

Warum zählen Weblogs nicht zu diesen Inselmedien? Weblogs sind vereinfacht betrachtet kommentierte Linklisten, die Notizen, Anmerkungen und Minierzählungen (Micro Content) enthalten. Der Inhalt, egal welcher Thematik zugeordnet, entfaltet sich rund um einen Link, somit um den von einer anderen Person verfassten Inhalt ohne den die Statements des Bloggers unverständlich wären. Weblogs nutzen das Internet als Netz und wie vorgesehen als interaktives Medium. Links in Blogs schaffen nicht nur interne und externe Verbindungen, sondern machen den Link zu einem integralen Bestandteil des Textes.
Der Link wird förmlich fortgesetzt – das kooperative Publizieren gedeiht. Blog-Einträge scheinen Texte ohne Rand zu sein. Die Grenze zwischen „außen“ und „innen“ verschwimmt, die Texte öffnen („folge dem Link, sonst kannst du meinen Gedanken nicht folgen“) und schließen („folge ihm noch nicht, lies erst meine Worte dazu“) sich kontinuierlich. Dieses Wechselspiel von Öffnen uns Schließen kann man als Oszillation betrachten und in weiterer Folge Weblogs als so genannte Oszillationsmedien.

Blogger sind keine Textmenschen. Blogger produzieren ständig Text, sind jedoch keine Textmenschen, denen es in erster Linie um die Produktion von Text geht. Ihr Schreiben ist mehr eine Fortsetzung ihrer Lesebewegung, eine Fortsetzung der Beschäftigung Gedanken und Aussagen anderer.
Das Lesen kann umgekehrt genauso als eine Fortsetzung des Schreibens gesehen werden. Blogger sind Teil einer neuen Kulturtechnik, die einer dauernden Rezeptions- und Produktionsbewegung unterliegt – SchreibenLesenSchreibenLesenSchreiben... Die Kooperation in der Entwicklung von Ideen und Gedanken unter Bloggern ist offensichtlich.
Inselmedien können von den Oszillationsmedien profitieren, indem sie sie als Multiplikatoren ihrer Aussagen ansehen. Inselmedien, wie traditionelle
Medienunternehmen, können ihre Rolle als Primärquelle entfalten und ihren Vorteil aus der Verbreitung durch Weblogs ziehen. [Vgl. Eigner, 2002]
Diese anfängliche Rollenverteilung als Primärquelle und Verbreitungsmedium hat sich Mittlerweilen in eine abwechselnde Symbiose verwandelt. Heute sind es oft Blogger, die Themen aufgreifen und die traditionellen Medien, die aufspringen.

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Einleitung
Wohin orientiert sich die Welt? Wird es eine Gesellschaft der „Allkommunikation“ geben, in der dank der offenen Zugänglichkeit zum Kommunikationsnetzwerk alle gleichwertig sind? Kann eine derartige, sich selbst regulierende Gesellschaft ohne eigene Staatsform, zerstückelt in kleinere sozial überschaubare Gruppierungen verbunden durch ein globales Netz funktionieren? Oder ist zu befürchten, dass die Offenheit des grenzenlosen Netzwerks von einer zentralisierten „allwissenden“ Macht missbraucht wird? [Lem, 2003, S.89] Der polnische Wissenschaftsphilosoph Stanislaw Lem sieht diese zwei Entwicklungen als gleichwahrscheinliche Richtungen im Zukunftspanorama.
Eine Bewegung hin zu einer kommunikationsdichten und stark individualisierten Gesellschaft lässt sich bereits erkennen. Die freizugängliche Nutzung des Internets erlaubt es einzelnen Personen und Personengruppen die Stimme zu erheben, denen bislang jede Möglichkeit sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden verwährt war. Der Stellenwert des Rechtes zu Kommunizieren (r2c) wächst stetig, ebenso das Bewusstsein dieses zu nutzen woraus sich neue Kommunikationsformen bilden.
Kooperatives Publizieren mit Hilfe von einfachen Publikations-Tools, wie Weblogs oder Wikis, ist eine davon. Die Medienwelt wird neu geprägt – Informationen sind kein geheimes Gut mehr, Informationen werden öffentlich aufgegriffen und im Kollektiv verarbeitet, kommentiert und erweitert. Individualistisch und doch gemeinschaftlich, der Trend, der besonders in der Blogosphäre erkennbar ist. Jeder steuert seine Gedanken und Informationen in den Wissenstopf bei, dessen Inhalt gemeinsam verknüpft und weiterentwickelt wird. Die Gesellschaft der „Allkommunikation“ fasst Fuß.
Im Zuge dieser Entwicklung ergeben sich viele Fragen: Welchen Nutzen können die einzelnen Personen oder Branchen aus dieser neuen Kommunikationskultur ziehen? Welchen Platz nehmen Gatekeeper ein oder werden sie gar durch andere Instanzen aus der öffentlichen Kommunikation ausgegliedert? Erleben Weblogs nur einen momentanen Hype oder sind sie wegweisende Vorreiter in einer neuen Publikationskultur? Publizieren für Jedermann – als journalistische Methode belanglos oder konkurrenzfähig? Fragen, deren Antworten erst im Entstehen sind.

Die vorliegende Diplomarbeit beinhaltet eine Darstellung der aktuellen Forschungsergebnisse hinsichtlich Kollaboration im Publikationsprozess, Weblogs – deren kurze Entwicklungsgeschichte, technische Hintergründe und Elemente, die Veränderung des Gatekeeper-Journalismus, dessen Symbiose mit dem aufstrebenden partizipatorischen Journalismus und den ersten erfolgreichen Anwendungsgebieten von kooperativen Publikations-Tools wie Weblogs oder Wikis.

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