Mittwoch, 2. Juli 2014
Die akutelle "Krise der Tageszeitungen" ist eine Finanzierungskrise, die sich in einer Verkleinerung von Redaktionen und anhand von Insolvenzen/am Verkauf mehrerer deutscher Tageszeitungen äußert (vgl. Puppis/Künzler/Jarren 2012: S. 11). Hauptgrund dafür: das angeblich so böse Internet. Ist diese Problematik für das Medium Tageszeitung tatsächlich Grund genug den Kopf in den Sand zu stecken? Oder tun sich am Web 2.0-Horizont auch für Tageszeitungen einige Lichter auf?

Mit einem klaren "Ja" äußern sich dazu die Beiträge von #1Machold_Lischka und #3Burmeister_Meckel. Sie machen, gegensätzlich zu mach anderen Beiträgen aus der Reihe "2020 - Die Zeitungsdebatte" im deutschen Spiegel, durchaus optimistisch auf einen aus meiner Sicht wirklich wichtigen und interessanten Aspekt aufmerksam: Nämlich dass sich Zeitungen einen kreativen Weg finden sollten, sich diesem neuen Medium und dessen inhaltlicher, sprachlicher und betriebswirtschaftlicher Kultur ihren Intentionen entsprechend authentisch anzupassen. Und sich nicht von der eigenen Wichtigkeit und Qualität höchstüberzeugt auf veralteten Selbstverständnis-Schemen selbstzufrieden auszuruhen. Der Krise der Tageszeitungen mit Kreativität und Innovation zu begegnen ist ihr Vorschlag.


#1Machold_Lischka

"Ein neues Massenmedium verändert immer auch Kultur, Sprache und die Parameter einer Gesellschaft." (Machold 2013)

Machold nimmt in seinem Beitrag im Grunde eine kulturhistorische Perspektive ein und erklärt anhand diverser Beispiele, dass sich mit der Erfindung neuer Massenmedien immer neue Wege auftaten. Der Fokus auf alte Schemen und die spezifischen Probleme der Print-Zeitungen in ihrer bisher dagewesenen Form würden daher aktuell den Blick darauf verstellen, was schon an Neuem lebt und an Möglichkeiten entsteht. Dies gelte gerade auch für den Qualitätsjournalismus, "wie immer man den definieren möchte." (Machold 2013)

Zur finanziellen Krise der Tageszeitungen führt Machold zunächst aus, dass das Tageszeitungsgeschäft schon immer ein Quer-finanziertes Gewerbe war: neun Rätsellöser subventionieren quasi eine Person, die an Außenpolitik interessiert ist. Und dieses Modell gilt es nun auch auf den online-Journalismus und dessen Geschäftsmodelle zu übertragen (vgl. Machold 2013).

Drei solcher Geschäftsmodelle mit "Web-Anstrich" beschreibt Litzka in seinem Beitrag. Eines davon bezieht sich auf (im Falle einer Bezahlung) hochdetaillierte Berichterstattung über das lokale politische Geschehen für ansässige EntscheiderInnen (PoilitikerInnen, LobyistInnen, etc.) in Washington; eines auf die regionale Wirtschaft, der über eine Regionalzeitung gegen Bezahlung eine gemeinsame Plattform mit entsprechend interessensgefärbter Berichterstattung geboten wird und ein drittes auf das Zusammenlegen von online-Ausgabe und dem ?best of? daraus mit Printausgaben mit Anzeigenzeitungen und einer ergänzenden Luxus-Sonntags-Ausgabe für ein vermögendes Publikum (vgl. Litzka 2013).

Außerdem verweist er auf die staatliche Förderung von lokalen Journaliusmus-StartUps anstatt großer Verlage (Litzka 2013). Hier ist auch Crowdfunding ein Thema, welches im Journalismus teilweise Anwendung findet (vgl. dazu Jian & Usher 2013).

Die Krise scheint also für diese beiden Insider also durchaus bewältigbar. Ähnlich sehen das auch die anderen beiden Autorinnen.


#3Burmester_Meckel

"[Die Zeitungen] sind wie ein reicher, alter Mann, der meint, sein Geld genüge schon, damit die Weiber um ihn herumhüpfen." (Burmester 2013)

Tageszeitungen sind laut Burmeister viel zu wenig kreativ. Sie würden sich noch immer als Nachrichtenverwalter und Schönschreiber begreifen und hätten nicht verstanden, dass das im Zeitalter des Netzes nicht mehr reicht. Sie würden von den Langweilern der Mittelmäßigkeit verantwortet, die, ihren traditionellen Selbstbild verhaftet, keinen oder nur wenig Platz für auffällige und bunte Formate für ihre Inhalte bieten würden (vgl. Burmester 2013).

In die Selbe Richtung argumentiert auch Meckel. Sie fordert daher ein bedeutendes Mehr Radikalität, gepaart mit Subjektivität ("Wir brauchen die Zeitung nicht mehr als Massenmedium."), Liberalität (im bürgerrechtlichen Sinne) und Subversivität ("Lange Stücke statt Infosnippets, erzählerisch statt berichtend, subjektiv, nicht objektiv, Hintergrund statt Faktenfetisch, ein Orientierungs-, nicht ein Nachrichtenmedium"). Zeitungen könnten so einen Gegenakzent setzen, indem sie langsam in ihren Themenzyklen sind und bedacht und kontrovers Akzente setzen (vgl. Meckel 2013).

Burmester erwähnt in dieser Hinsicht das Beispiel der "taz", welches sich retrospektiv schon häufig an seiner Existenz bedroht sah. Sie habe es geschafft, mit ihrer "kürzlich gerelaunchten Wochenendausgabe sonnabends etwas vor die Tür zu legen, das ich mit Vorfreude in die Hände nehme. Durch Themen, Autoren, Herangehensweisen, Herzblut. Ich habe beim Lesen das seltene Gefühl: Da steckt Liebe drin." (Burmester 2013) Die von Meckel erwähnten Vorschläge finden hier scheinbar ihre exzellente Anwendung.


Die AutorInnen plädieren zusammengefasst also dafür, dass Tageszeitungen ihr klassisches Rollenveständnis hinter sich lassen sollen und sich in inhaltlicher, sprachlicher und betriebswirtschaftlicher Kultur entsprechend authentisch anpassen sollten. Dies sei hintergründig der Erfindung neuer Massenmedien im Grunde ein natürlicher Vorgang und kein Grund zur Panik, wie die Geschichte zeige.

Ein gutes Beispiel für diese beschriebenen Tipps & Tricks ist für mich das vice-Magazin, auch wenn es nicht als Zeitung im klassischen konzipiert ist (vgl. Wikipedia 2014). Trotzdem kann es als eine Art Vorlage für krisengebeutelte Tageszeitungen dienen. Denn das Jugendmagazin schafft es rein werbefinanziert, mit seiner monatlichen gratis (!) in Shops aufliegenden Printausgabe, einer viel frequentierten Homepage und einem umfassenden YouTube-Kanal zugleich Themen der Jugendkultur, kontroverse Themen (Sex, Drogen, Gewalt) aber auch politische Berichterstattung auf eine qualitativ hochwertige und zugleich ansprechende Art und Weise zu kommunizieren. Die Sprache und Themen sind gewagt - und gehen eben dadurch nicht im Internetzeitalter unter.


Doch zurück zu den AutorInnen. Trotz der guten Vorschläge werden aus meiner Sicht einige Aspekte verabsäumt bzw. zu wenig beleuchtet, was für mich Fragen aufwirft.

Zum einen wird die Funktion von Massenmedien als zentrales Informations- und Meinungsbildungsmedium in einer Demokratie relativ unkommentiert unter den Teppich gefegt. Es wird einfach - explizit wie implizit - unterstellt, dass Tageszeitungen in dieser Funktion nicht mehr gebraucht werden. Sind aber in einer solchen Funktion nicht trotzdem nach wie vor traditionelle und klassische Medien - und damit auch klassische und traditionelle Zeitungen - als eine wichtige Basis vonnöten, welche die AutorInnen mangels ihres Anpassungsvermögens an die schnelle Internetkultur kritisieren? Würde diese Anpassung diese Funktion nicht verklären? Oder wieder anders gefragt: sollen sich, zumindest die staatlich finanzierten Medien hier überhaupt anpassen - und damit mitunter auch interessensgeleiteter Finanzierung Haus und Hof öffnen?

Zu wenig beleuchtet wird aus meiner Sicht, dass in vielen Redaktionen digitaler Journalismus zunächst meist von den dahinterstehenden Umsätzen aus den Printmedien abhängig ist. Die Übergangsphase bzw. die Umstellung auf ein neues Geschäftsmodell dürfte in Bezug auf die interne Akzeptanz sowie auch KundInnenakzeptanz in vielen bestehenden Redaktionen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung sein.

Zudem stellen die AutorInnen fest, dass das Internet ein eigenes Medium mit eigener Sprache und Kultur ist und die Zeitung sich diesem Format auf seine charakteristische Weise anpassen möge. Dem stimme ich voll und ganz zu. Trotzdem stellt sich die Frage: Wird dieser Versuch gelingen? Die immense Informationsflut, mit der MedienkonsumentInnen heute konfrontiert sind, wird dabei nämlich ausgeblendet. Zeitungen konkurrieren mit einem irrsinnig schnellen Medium, welches heute bereits lokal unabhängig und extrem niederschwellig zugänglich ist. Können es Zeitungen angesichts dieser Konkurrenz, auch wenn sie die Ratschläge - speziell von Meckel - befolgen, überhaupt schaffen, mittels Qualität auf Dauer einen LeserInnenstamm zu halten, der sich künftig immer mehr der Internetkultur als der "Print-Kultur" (aka. klassischem "Qualitätsjournalismus") zuwendet?


Zusammengefasst sind die Vorschläge der AutorInnen trotz dieser offen gebliebenen Fragen konstruktiv und treffend, wenn sie auch sehr subjektiv sind. Sie zeigen Perspektiven auf, die sich jenseits der "Comfort-Zone" des klassischen Selbstverständnisses von Tageszeitungen bewegen und geben Anlass zu mutigem Risiko. Gerade das wird künftig auch aus meiner Sicht ein für dieses Medium entscheidender Faktor sein!



Quellen

Brumester, S. (2013): Die Friedhofsverwalter
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/silke-burmester-zur-zeitungsdebatte-a-915733.html

Jian, L.; Usher, N. (2013): Crowd-Funded Journalism.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jcc4.12051/full

Lischka, K. (2013): Was kommt, wenn die Regionalzeitung geht
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/mediendebatte-was-kommt-wenn-die-regionalzeitung-geht-a-915746.html

Machold, U. (2013): Buzzfeed und Götterdämmerung
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/ulrich-machold-zur-zeitungsdebatte-a-916843.html

Meckel, M. (2013): Plädoyer für den radikalen Anachronismus
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/miriam-meckel-zur-zeitungsdebatte-die-luecke-des-teufels-a-916134.html

Puppis, M., Künzler, M., & Jarren, O. (2012): Einleitung: Medienwandel oder Medienkrise?. In: Jarren, O.; Künzler M.; & Puppis M. (Hrsg.) (2012): Medienwandel oder Medienkrise? Folgen für Medienstrukturen und ihre Erforschung (Medienstrukturen, Vol. 1) (pp. 11-24). Baden-Baden: Nomos.

Wikipedia (2014): Vice (Magazin)
http://de.wikipedia.org/wiki/Vice_(Magazin)




Sonntag, 1. Juni 2014
In diesem Beitrag möchte ich auf die semiotischen Codes in der Webkommunikation bei Jugendlichen eingehen. Schon alleine die verbale Kommunikation unter den heutigen Jugendlichen scheint die ältere Generation zu beschäftigen und folglich herauszufordern. Noch komplexer wird dieses Thema allerdings, wenn auch die semiotische Ebene miteinbezogen wird, wie ich anhand von sog. Memes darstellen möchte. Das Bewusstsein über die Semiotik in der Webkommunikation hat v.a. im Zielgruppen-Marketing eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. In dieser Hinsicht erwähne ich eine Kampagne der europäischen Grünen, die mithilfe von Katzen-Memes zur EU-Wahl aufgefordert haben.

Berühmte Komiker wie Schmidt oder Grünwald verstehen die Welt nicht mehr. Die Sprache der Jugendlichen bzw. die technische Verlagerung der Kommunikation hin zu digitalen Medien gibt ihnen Anlass zur tüchtigen Persiflage, die auch eine gewisse Überforderung durchblicken lässt.





Auch die Elternwelt scheint das Thema der jugendlichen Sprache zu beschäftigen, wie folgende Links beweisen, die ich in einem Blog-Beitrag von Christoph Michelmayer (Q3) gefunden habe.

http://www.t-wie-teenager.de/jugendsprache/
http://jugendsprache.org/wp-content/uploads/2013/01/Jugendsprache_Lexikon.pdf
http://www.klartextsatire.de/kultur/sprache/jugendsprache.htm

Interessanter Aspekt dabei: Diese Sites/Ratgeber sind definitiv mit semiotischen Codes der Elterngeneration übersäht: "Coole" Jugendliche am Strand bzw. auf einer "crazy Brillen-Party", das ganze in einem richtig altmodischen HTML-Stil gepackt. Als "definitiv nicht zeitgemäß" würde ein/e Jugendliche/r heute diese Artefakte entcodieren.

Diese (subjektive?) Feststellung führt an dieser Stelle zum eigentlichen Thema, das ich hier kurz behandeln möchte: Den semiotischen Codes der Jugendlichen in der Webkommunikation. Bezieht man nämlich die semiotische Ebene in diesen für die ältere Generation schon undurchschaubar erscheinenden Kommunikationsstil mit ein, wird die Thematik noch komplexer.

Als Beispiel hierfür möchte ich einige sog. "Memes" anführen. Memens greifen mithilfe von Bildern aus dem Alltag gegriffene oder tagespolitische Themen auf, stellen diese auf satirische Art und Weise dar und enthalten oft Wortspiele. Sie verknpüfen damit Fragmente jugendlicher Sprache mit Bildern und lassen so eine Bedeutung entstehen, für deren "Entcodierung" es ein mitunter relativ spezielles Wissen braucht. Außerdem beinhalten Memes oft auch eine ganz eigene Art von Humor, der wahrscheinlich ebenfalls eher der jüngeren Generation zugänglich ist. Das möchte ich kurz anhand von drei Memes verdeutlichen und diese bewusst kurz und subjektiv beschreiben/entcodieren.



Hier vermischt sich, etwas pathetisch beschrieben, technische Information (Browser) mit einer nicht gerade dem gegenwärtigen Schönheitsideal entsprechenden Augenbrauen-Tragart. Neben dem an sich alten und fast schon kultigen Foto, trägt das gewitzte Wortspiel zu dessen Viralität bei.



Bei diesem Beispiel werden zwei politische Themen, die Einwanderungspolitik in Amerika einerseits und das Thema Rassismus andererseits, auf satirische Art und Weise dargestellt. Zudem wird wieder ein Foto dafür verwendet, welches einen Modestil zeigt, der die heutige Generation zum Staunen verleitet.



Dieses Meme ist ein typisches "Raction-Meme". Beschwert sich z.B. jemand in einem sozialen Netzwerk jemand über irgend etwas, kommt es oft vor, dass so ein Meme darunter kommentiert wird. "Deal with it" - und wenns schon der Obama sagt, dann erst recht!


So weit so gut. Doch warum sollte man sich aber nun mit solchen semiotischen Codes, wie sie in der jugendlichen Webkommunikation auftreten, beschäftigen? Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist eine Sensibilität für semiotische Codes in der Webkommunikation v.a. im Marketing-Bereich von Bedeutung. Bortun und Puracrea entwickeln in ihrem Kurzpaper bspw. einen Marketing-Approach auf semiotischer Basis. Damit wird der "Sender" aus dem Fokus gerückt und die Botschaft ins Zentrum der Betrachtung gestellt: "The focus is centered to the "text" and the way this is "read", the sense being born when the "reader" negotiates the "text". The negotiation takes place when the "reader" filtrates the message through the sieve of his cultural loading." Diese Feststellung ist gerade für effektives Zielgruppenmarketing von Bedeutung (Q1)

Ein hervorragendes Beispiel, bei dem Memes zu Werbezwecken angewandt wurden sind die Grünen in Europa (Q2). Sie haben mit Katzen-Memes zu EU-Wahl aufgefordert, um gerade junge Wähler auf authentische Art und Weise anzusprechen. Gelungen wie ich finde!




Q1: Bortun und Puracrea (2013): Marketing and semiotic approach on communication. Consequences on knowledge of target-audiences.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3632356/

Q2: Grüne werben mit Katzen für Europa. http://www.welt.de/politik/deutschland/article122726726/Gruene-werben-mit-Katzen-fuer-Europa.html

Q3: Blog von Christoph Michelmaiyer: Die Sprache/Die Codes der heutigen Jugendlichen https://collabor.idv.edu/webkommMC/stories/48800




Mittwoch, 28. Mai 2014
In einem philosophischen Gespräch (Q1) mit Norbert Bischofberger über sein aktuelles Buch "Die unendliche Liste" trifft Umberto Eco einige Aussagen, die auch für das Themengebiet der Webkommunikation interessant sind. Ich möchte hier einige seiner Aussagen anführen und kurz diese im Bereich der Webkommunikation kontextualisieren.



Bischofsberger thematisiert zu Beginn des Gesprächs Ecos aktuelles Buch "Die unendliche Liste", in dem er die Rolle von Listen und Aufzählungen in der (Literatur)geschichte untersucht. Darin nimmt er auch zum Phänomen Internet Stellung. Im Gespräch beschreibt Eco seine Sichtweise darauf folgendermaßen:

"Was nun ist das Internet? Man könnte meinen es sei eine praktische Liste denn es enthält alle Webseiten zu einem gewissen Thema. Aber es ist auch potentiell unendlich, d.h. wenn jemand die Millionen der Seiten anklickt wären die ersten bereits wieder verschwunden wenn er am Ende angelangt wäre. Theoretisch kann man also bis in alle Unendlichkeit im Internet surfen." (14:40)

Anhand dieser Aussage wird durch Ecos Listenmetapher die Unendlichkeit und folgliche Unübersichtlichkeit des Mediums Web deutlich: Die "online-Liste" hat keinen Anfang und kein Ende. Obwohl man mit einer quasi unendlichen, schwindelerregenden Fülle an Information konfrontiert wird, wird man als Mensch nie in der Lage sein, die komplette "Liste des Wissens" so wie sie in Form des Internets zugänglich ist, zu erfassen.

Eine passende, jedoch im Vergleich zu Eco mit eher positivem Subton versehene, philosophische Metapher wäre die des Rhizoms (Q1). Rhizome sind Wurzelgeflechte, bei denen nach einer gewissen Zeit kein Anfang und kein Ende mehr identifizierbar sind. Es wird von postmodernen bzw. poststrukturellen DenkerInnen als Modell für Wissensorganisation verwendet und hat in diesen Kreisen die Baum-Metapher mit ihrem hierarchischen Strukturen ersetzt.

Eine ableitbare Konsequenz für die Webkommunikation könnte dahingehend liegen, diesen von Eco und anderen Philosophen beschriebenen Wissensbegriff in Kontext des Web-Mediums zunächst schlichtweg zu akzeptieren und nicht zu versuchen, das Medium in andere Wissenskonzepte (wie bspw. die erwähnte Baummetapher) einzupassen. Dazu gehört einerseits, sich der netzwerkartigen und schwer nachvollziehbaren Organisation des Wissens einerseits bewusst zu werden und andererseits darin jene Chancen zu erkennen, wie sie z.B. im Bereich der nicht-hierachrischen Organisation des Wissens allgemein oder des interaktiven Lernens liegen könnten.


Im weiteren Gesprächsverlauf nimmt Baumberger Bezug auf die Wissenschaftliche Tätigkeit von Eco, deren Benefit v.a. darin liegt, dass er das Feld der Semiotik auf die zeitgenössische Kultur hin öffnet. In diesem Zusammenhang trifft Eco eine weitere interessante Aussage. Als Illustration dazu führt er zuvor aus, dass ein Semiotiker anhand von Symbolen wie bspw. Kleidungsstücken feststellen kann, welcher (in diesem Fall) Modeströmung eine Person angehört. Dazu zitiert er Barthes: "Wo andere nur Dinge sehen, sieht der Semiotiker den Sinn dahinter". Eco sagt:

"Die heutigen Jugendlichen bedienen sich ständig der Semiotik der Kultur aber vergessen, die grundlegenden Aspekte der Philosophie zu diskutieren." (34:27)

Diese Aussage lässt sich ebenfalls, wenn auch nur implizit, auf die Webkommunikation übertragen. Gerade die Unendlichkeit des Internets steckt ebenfalls voller semiotischer, kulturell assoziierter Symbole, die laut Eco aber unreflektiert angewandt werden. An dieser Stelle wäre ein Beispiel seinerseits interessant. Jedenfalls ist das erkenntnisphilosophische Problem, welches Eco in dieser Hinsicht bemerkt, interessant: Symbole werden zwar in der Webkommunikation übernommen, allerdings ist man sich der semiotischen "Konsequenzen", also der kulturellen Interpretation selbiger nicht bewusst.

In einer kommunikationswissenschaftlichen Sichtweise auf das Thema Webkommunikation könnte man in Anschluss an Eco hier eine ausgeprägtere Sensibilität in Bezug auf die Semiotik der Internetkommunikation an den Tag legen. Ist man sich über kulturelle Aspekte verwendeter Symbole bewusst, kann man WEbkommunikation, funktional betrachtet, treffender ausgestalten. Ein Beispiel dafür wäre ein von der von Bortun und Puracrea in diesem Paper kurz zusammengefasste "semiotic approach on marketing" (Q5), in dem sie, basiert auf Kuhn und Gonseth, auf die Wichtigkeit kultureller Aspekte in der Kommunikation für das Zielgruppen-Marketing aufmerksam machen. Das Thema hab ich auch kurz in einem anderen Blog-Beitrag bearbeitet (Q6).


Bezugnehmend auf die Frage, ob eine Ursprache existiert(e), erwähnt Eco "Mit Bestimmtheit lässt sich einzig sagen, dass alle Menschen das gleiche Apparätchen im Gehirn haben, das ihnen ermöglicht, Sprachen zu kreieren und zu verstehen. Und dass sie dieses Apparätchen ihrem siozialen Umfeld angepasst haben" (38:48)

In dieser Aussage wird aus meiner Sicht jener Aspekt deutlich, den Nicolas Carr in seinem Buch "Wer bin ich wenn ich online bin ... und was macht mein Gehirn solange?" (Q3, Q4) herausgearbeitet hat: Das Web - und damit auch die Webkommunikation - nehmen beträchtlichen Einfluss auf unser Gehirn und damit auch auf unser Denken. Es passt sich sozusagen den sozialen Gegebenheiten an. Und diese bestehen aktuell darin, sich der zunehmenden Kommunikation über das Web mit all seinen Eigenheiten anzupassen.



Q1: Sternstunde Philosophie: Umberto Eco. https://www.youtube.com/watch?v=nHwjZf_tRCE
Q2: Wikipedia: Rhizon (Philosohpe) http://de.wikipedia.org/wiki/Rhizom_(Philosophie)
Q3: Carr, Nicolas (2010): Wer bin ich wenn ich online bin ? und was macht mein Gehirn solange? Karl Blessing Verlag.
Q4: Leseprobe zu Q2 http://www.randomhouse.de/content/edition/excerpts/103167.pdf
Q5: Bortun und Puracrea (2013): Marketing and semiotic approach on communication. Consequences on knowledge of target-audiences. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3632356/
Q6: Blog-Beitrag Markus Ellmer: Semiotik & Webkommunikation: Die Codes der Jugendlichen. https://collabor.idv.edu/blogme/stories/49003/




Mittwoch, 14. Mai 2014
Präsentation in der LVA "Webkommunikation", am 07.05.2014

1. Zur Einführung: Medien und ihre Akteure
"Sender" und "Empfänger" sind zwei zentrale Begriffe in der Medienwissenschaft. Als ?Sender? wird die Person, Organisation bzw. das Medium bezeichnet, die Information verbreitet - dazu zählen auch Journalisten. ?Empfänger? sind die Rezipienten, also die Personen, die diese Informationen erhalten (vgl. Müller 2011: S. 21). Medien können durch verschiedene Kriterien unterschieden werden:
? Verbreitungsgrößen
? Inhalt & Anspruch
? Medien vs. Medienträger

In Kontext von Medien und Journalismus spielt auch die "öffentliche Kommunikation" eine wichtige Rolle. Diese unterscheidet sich durch folgende (in der VU im Plenum ergänzten) Merkmale von anderen Kommunikationsarten (vgl. collabor.idv.at 2014: online):
? große Reichweite, hohe Publikumszahl
? allgemein zugänglich und entsprechend aufbereitet
? sehr stark geregelt/institutionalisiert
? immer indirekt, d.h. einseitig/asymmetrisch; die Publikumsrolle ist den Empfängern oft nicht bewusst; es kann nicht reagiert werden (Relativierung durch Internet!)
? disperses Publikum nach Zeit und Ort: anonym, groß, heterogen/geschichtet,
? immer technisch vermittelt, wobei die Technik die Semiotik determiniert: In Radio, Zeitung oder Fernsehen werden Inhalte wesentlich anders aufbereitet


2. Journalistische Verantwortung
2.1. Gesetze und Ehrenkodizes
Hier existieren für Journalisten einerseits gesetzliche Regelungen. Dazu zählen allgemeine Gesetze wie das Grundrecht der Pressefreiheit usf. und im Speziellen das Rundfunk- und Medienrecht (für Österreich). Darin werden vorwiegend der Schutz der journalistischen Berufsausübung, der Persönlichkeitsschutz, Vorgaben zum Impressum, strafrechtliche Bestimmungen etc. festgesetzt. Daneben existiert ein Ehrenkodex über die ?Grundsätze für die publizistische Arbeit? (vgl. presserat.at 2014: online)

In Bezug auf die Arbeitsweisen ist journalistische Ethik ein zugleich wichtiges und diffuses Thema: ?Zwischen den rechtlichen Rahmenbedingungen einerseits und dem, was Journalisten tun oder lassen sollten, besteht eine Grauzone, die häufig mit wenig präzisen Begriffen wie ?allgemeine journalistische Standards? oder ?journalistische Sorgfaltspflichten? übertüncht wird? (vgl. Müller 2011: S. 151).

2.2. Journalistische Ethik
"Ethik ist Sittenlehre und versucht die Frage zu beantworten, wie der Mensch sich verhalten soll, um anständig zu sein. "Richtiges", sittliches Handeln wird nur möglich, wenn der Handelnde sich an Werten orientiert, also etwa an Tugenden wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Fairness oder Selbstbeherrschung. Diese Werte sollten das Verhalten von Menschen in einer Gesellschaft ganz allgemein bestimmen.

Eine spezielle journalistische Ethik gibt es deshalb nicht. Es besteht allerdings eine besondere Verantwortung der Journalisten, da ihre Tätigkeit - wie auch die etwa der Politiker - in die Öffentlichkeit hinein wirkt und gravierende Folgen für betroffene Menschen haben kann.

Ob und wann Journalisten Ethik ?brauchen? kann nicht die Frage sein. Gerade von ihnen muss verlangt werden, dass sie Werte, die das Zusammenleben der Menschen sinnvoll machen, beachten - und zwar immer."
(Bölke 2014: online)

In dieser Hinsicht stellt sich auch die Frage nach der Macht der Medien in Sachen Publikumsbeeinflussung. Hier sind v.a. politische Themen von Belang (vgl. Neuburger/Kapern 2013: S. 63ff). Ein aktuelles und indirekt auch treffendes Beispiel dafür ist die momentane Berichterstattung zum Mordprozess des südafrikanischen Sprinters Oscar Pistorius. In Südafrika wird aufgrund der dortigen Ausgestaltung des Restsystems sehr detailliert über den Prozess berichtet. Dies wäre in anderen Ländern nicht möglich, da z.B. Geschworene maßgeblich beeinflusst werden könnten (ZIB vom 05.05.2014)

3. Journalistische Qualität
Müller bemerkt einleitend in seinem Buch zu journalistischen Arbeitstechniken: ?In kaum einem anderen Gewerbe werden Sie so viel Dilettantismus antreffen, klaffen Anspruch und berufliche Wirklichkeit weiter auseinander. Ohnehin kann sich jeder, der sich dazu berufen fühlt, als ?Journalist? bezeichnen. Arbeits- oder gar Ausbildungsnachweise sind dafür nicht erforderlich? (Müller 2011: S. 4). Damit kommt es zu Qualitätsproblemen, die auch öffentlich sichtbar werden und Konsequenzen mit sich ziehen. Oft wird vergessen, dass journalistisches Arbeiten - wie oben dargelegt - durchaus Grundregeln unterliegt, die Einsteiger in den Beruf erlernen ? und später auch anwenden müssen.

Die jeweilige Ausformung der Qualitätskriterien ist abhängig von den spezifischen Anforderungen eines Mediums, den Standards im Qualitätsmanagement sowie den Rahmenbedingungen der Journalisten. Außerdem sind die persönlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten, die der Journalist in seine Arbeit einbringt relevant. Dazu zählen die Beherrschung des journalistischen Handwerks, Präzision in Wahrnehmung und Wiedergabe, Faktentreue, verständlichen Sprachstil, überlegten Einsatz unterschiedlicher Darstellungsformen und eine fundierte Recherche.

In Bezug auf die Qualitätsdimension spielen aber auch die Nutzer (Zielgruppen) der journalistischen Beiträge eine Rolle. Ex-RTLChef Helmut Thoma dazu: ?Der Köder muss dem Fisch gefallen, nicht dem Angler?. Leser der Wochenzeitung ?Die Zeit? haben andere Erwartungshaltungen als die Abonnenten eines Lokalblattes im Hinblick auf Themenauswahl, verwendete journalistische Darstellungsformen, Textumfänge oder optische Aufmachung. (Müller 2011: S. 182 und Neuburger/Kapern 2013: S. 115ff und 169ff)

3.1. Rahmenbedingungen für die Qualität
? der Stellenwert, den Journalismus in dem Medium überhaupt hat: Der zeitliche bzw. räumliche - Rahmen, der für journalistische Beiträge zur Verfügung steht
? die personelle Ausstattung
? die gute und umsichtige journalistische Führung
? Honorierung und Sicherheit des Arbeitsplatzes
? die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes
? die Organisation des eigenen Arbeitsplatzes und des gesamten Arbeitsablaufs

3.2. Wissenschaftliche Aspekte
? Richtigkeit: Das, worüber berichtet wird, muss stimmen.
? Relevanz: Es muss für die Zielgruppe bedeutsam sein.
? Transparenz: Es muss nachvollziehbar sein, auch in seiner Entstehung und journalistischen Darstellung.
? Ausgewogenheit: Es müssen auch gegensätzliche Meinungen zu Wort kommen.
? Vielfalt: Das Angebot der Inhalte muss plural sein.
? Aktualität: Die transportierten Inhalte müssen neu sein. (Ergänzung: oder neue Aspekte, bzw. Entwicklungen enthalten).
? Verständlichkeit: Die Botschaft muss vom Publikum nicht nur wahrgenommen, sondern auch verstanden werden.
? Rechtmäßigkeit: Die Inhalte folgen den rechtlichen Grundlagen. (... und ethischen Leitlinien!)


4. Journalistische Inhalte: Themenauswahl und Recherche
Unvorhersehbare Ereignisse
Überraschende Rücktritte von Politikern, Unglücke, Naturkatastrophen usw. Der Umfang der Berichterstattung sowie der damit verbundene zeitliche und personelle Aufwand hängen vor allem von der Bedeutung und dem Ausmaß eines aktuellen Ereignisses ab.

Absehbare Themen
bevorstehende Pressekonferenz, bei der fest mit dem Rücktritt eines Politikers oder der Entlassung eines Trainers gerechnet wird; die Vorankündigung eines Mediums, mit der exklusive Informationen in Aussicht gestellt werden;

Planbare Themen
Geburtstage, Jahres- und Ehrentage, Feiertage und Ferien, Sommeranfang, Winterende, Uhrzeitumstellung etc.; Historische Gedenktage wie z.B. ?Der Fall der Mauer? oder der ?Gründungstag der Bundesrepublik Deutschland?

Zufallsthemen
unerlaubter Werbeanruf einer offenbar unseriösen Vertriebsorganisation, der beim Journalisten eingeht; die schon länger brachliegenden Straßenbauarbeiten, die von Nachbarn beiläufig erwähnt werden; unzumutbare schulische Belastungen der eigenen Kinder durch die Umstellung des Gymnasiums von neun auf acht Jahre oder die schleppende Bearbeitung von ?Hartz IV?-Anträgen, von der der Journalist zufällig in seiner Stammkneipe hört

Themenübernahmen
von anderen Medien

4.2. Kriterien der Themenauswahl
Wesentlich schwerer als die Themenfindung ist in vielen fällen die Themenauswahl. Aufgrund des begrenzter Ressourcen und des zur Verfügung stehenden Platzes bei Printmedien bzw. begrenzter Zeiten für Informationssendungen in Radio und Fernsehen muss zwangsläufig eine Auswahl getroffen werden.

? Redaktioneller Umfang, der bei Printmedien insbesondere vom Anzeigenumfang abhängt. Deswegen ist die Fragestellung eingangs angebracht: Ist es überhaupt möglich, dass das Thema im geplanten Umfang veröffentlicht werden kann?
? Eignung der Mediengattung: Nicht alle Themen eignen sich gleichermaßen für die Veröffentlichung in allen Mediengattungen. Dabei sind auch etwaige Formatierungen, z.B. bei Radioprogrammen, zu berücksichtigen.
? Bedeutung für die Zielgruppe des Mediums: Das Thema muss für die Zielgruppe nach Möglichkeit interessant oder gar wichtig sein. ?Wichtig? bedeutet, dass das Thema Auswirkungen zumindest für einen Teil der Nutzer hat. Beispiel: Veränderungen der ?Hartz IV-Sätze? für Empfänger dieser sozialen Leistungen Aktualität des Themas: Das Thema muss tatsächlich neu sein, zumindest sollten neue Entwicklungen erkennbar sein.
? Verifizierbarkeit und Recherchierbarkeit eines Themas: Die Richtigkeit der Inhalte muss über eine unabhängige (andere) Quelle überprüfbar sein. Zudem muss möglichst frühzeitig die Frage geklärt werden, ob das Thema überhaupt recherchierbar ist; dass bedeutet, ob notwendige Fakten und Daten erlangt werden können bzw. wichtige Gesprächspartner zur Verfügung stehen.
? Voraussichtlicher personeller Aufwand: Es muss vorhersehbar sein, dass die Redaktion bzw. freie Journalisten auch zeitlich in der Lage sind, das Thema bis zum geplanten Veröffentlichungstermin journalistisch fundiert umzusetzen. Die Beachtung dieses Kriteriums ist vor allem dann erforderlich, wenn der Berichterstattung voraussichtlich lange Recherchen vorausgehen müssen.
? Finanzieller Aufwand: Schließlich muss auch die Frage gestellt werden, ob die geplante Berichterstattung einen etwaigen höheren finanziellen Aufwand rechtfertig, z.B. für Recherchereisen oder den Ankauf von notwendigem Bildmaterial bzw. die Erstellung von notwendigem Filmmaterial (Fernsehen, multimediale Inhalte bei Onlinemedien).


4.3. Informationsquellen für Journalisten
Primäre Informationsquellen: Die Informationen stammen grundsätzlich aus ?erster Hand?, d.h. der Journalist hat ein Ereignis selbst am Ort des Geschehens mitverfolgt, persönlich mit Augenzeugen gesprochen oder das Originaldokument selbst eingesehen.

Sekundäre Informationsquellen: Der Journalist muss sich auf Informationen verlassen, die er von anderen erhalten hat. Dazu zählen vor allem Meldungen von Nachrichtenagenturen, Presse- und Medienberichte sowie alle Informationen, die aus nicht überprüfbaren Originalquellen stammen.

Keine Informationsquellen sind dagegen reine Gerüchte und offenkundige Propaganda.
Theoretisch gilt, dass Informationen aus sekundären Quellen in anderen - unabhängigen Quellen - überprüft werden müssen; im Journalismus wird das als ?verifizieren? (Substantiv: Verifizierung oder Verifikation) bezeichnet. In der Praxis müssen sich Journalisten ? allein aus Zeit- und Kapazitätsgründen ? häufig jedoch auf Inhalte verlassen (können), die sie aus sekundären Quellen erhalten (vgl. Müller 2011: S. 206).

Die wichtigsten Informationsquellen im Überblick

(Darstellung: Müller 2011: S. 207)

4.4. Recherche
"Recherche ist die gezielte Suche nach Informationen wie Daten, Fakten, Aussagen und Hintergründen mit dem Ziel, sich ein möglichst umfassendes und objektives Bild von Ereignissen, Zusammenhängen, Entwicklungen, Personen und Institutionen zu machen. 'Gezielt' bedeutet, dass sich der Suchende vorher darüber im Klaren sein muss, welche Informationen für welchen Zweck benötigt werden." (Müller 2011: S. 245)

Rechercheablauf

(Darstellung: Müller 2011: S. 250)

Verdeckte Recherchen als journalismusethisches Spezialthema:
Wenn Journalisten ?in cogito? recherchieren, wird das als ?verdeckte Recherche? bezeichnet. Die Bandbreite reicht dabei von einfachen Anrufen unter falscher Namensnennung über verdeckte Ton- und Videoaufnahmen bis hin zur Annahme einer falschen Identität über einen längeren Zeitraum.

Das wahrscheinlich spektakulärste Beispiel der letzten Jahrzehnte war ?Hans Esser? (aka. Günther Wallraff), der 1977 vier Monate lang als Reporter für die Regionalausgabe der ?Bild?-Zeitung in Hannover arbeitete. (Müller 2011: S. 295). Aber auch Ernst Strasser wurde mit seiner Lobbying-Affäre von englischen Journalisten mittels verdeckter Recherche aufgedeckt.


Diskussionsfrage: Wie steht ihr, ethisch betrachtet, grundsätzlich zu verdeckten Recherchen? Unter welchen Umständen würdet ihr diese Arbeitsweise tolerieren/ablehnen?



Quellen

Bölke, Dorothee (2014): ?Ob Journalisten Ethik brauchen ist nicht die Frage?, http://www.akademie-fuer-publizistik.de/ethikrat/themen-bisher/wozu-journalistische-ethik/

Christoph Neuberger, Peter Kapern (2013) Grundlagen des Journalismus. Springer: Wiesbaden.
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/10000719/MedienG%2c%20Fassung%20vom%2005.01.2012.pdf

collabor.idv.at (2014): Massenkommunikation. http://collabor.idv.edu/webkomm14s/stories/48114/

Müller, Horst (2011): Journalistische Arbeitstechniken. Journalistische Grundlagen, Journalistische Arbeitstechniken, Journalistische Darstellungsformen. Reihe ?Mediengestützte Wissensvermittlung? Band 5.

presserat.at (2014): Grundsätze für die publizistische Arbeit (Ehrenkodex für die österreichische Presse) http://www.presserat.at/show_content.php?sid=3

Rechtsinformationssystem: Östereichisches Mediengesetz.




Montag, 17. März 2014
Ein Maßgeblicher Teil der Webkommunikation kann im übertragenen Sinne als "beiläufige Kommunikation" betrachtet werden, die der Aufmerksamkeit, welche beim Spaziergang dem Hund geschenkt wird, entspricht.

... oder: "Der Hund als Begleiter ist Beiläufer, er unterstützt die Motive des Spazierganges, seine Begleitung ist jedoch im letztgenannten Sinne nicht Haupt-, sondern Nebenzweck."

Entgegengesetzt dieser These, die meinem Verständnis nach aufgrund ihrer "Beiläufigkeit" einen nur sehr geringen Einfluss von Internetkommunikation auf die real-analoge Kommunikation unterstellt, würde ich gegenteilig vorschlagen, dass es genau umgekehrt ist. Internetkommunikation ist, wie ich finde, alles andere als beiläufig, weil sie eine starke Zerstreuung der Aufmerksamkeit forciert und damit auch die real-analoge, synchrone Kommunikation stark beeinflusst. Begriffe wie "Two-Screen Generation" bilden dieses Phänomen der Ubiquitarität zerstreuter Aufmerksamkeit indirekt ab. Insofern wäre dies im Sinne des im Beitrag erwähnten Karikaturisten Loriot der den Umstand, dass Hundebesitzer ihren Hund nicht unter Kontrolle haben, persifliert: "Gleitet der Spaziergang mit dem Hund jedoch in eine Eskapade von Dressurakten ab, so sollte eher von einem Spaziergang mit dem Menschen gesprochen werden." Dieser Umstand, dass die Beiläufigkeit zum Zentrum der Aufmerksamkeit wird, trifft aus meiner Sicht stärker zu als die umgekehrte Version.

Passend dazu ein (zugegenermaßen etwas langes) Zitat von Graff: "Jeder checkt und updated mittlerweile seinen Online-Status, um mit seinem Umfeld in Verbindung zu bleiben. Dabei lässt die Aufmerksamkeit für die analoge Gegenwart immer mehr nach, weil der Mensch nur noch digital um sich kreist. (...) Das hat Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit, die man der analogen Gegenwart schenkt, in der man sich faktisch befindet. Denn es verändert sich zunehmend das Gefühl von Anwesenheit. Festzustellen ist daher, dass das, was Soziologen die Effekte der "Computervermittelten Kommunikation" (CVK) nennen, einen nennenswerten Einfluss auf die Kommunikation von Menschen hat. Der Einfluss zeigt sich in Formen des Umgangs miteinander - doch zuallererst im Wandel der Sprache." (Graff 2013: online) Graff fasst in seinem Artikel treffend und in keiner panikerzeugenden Form zusammen, wie das Internet Einfluss auf die reale Welt nimmt.

Damit ist er keineswegs allein. Auch Geert Lovink, der in seinem Buch "Networks Without A Cause. A Critique on Social Media" eine umfassenden Kulturwandel durch das Internet (im Internet) feststellt argumentiert in diesem Sinne sogar, dass die aktuelle Form der Psychopathologie sozio-kommunikativer Natur ist: Es besteht Angst, nicht mit anderen verbunden zu sein (vgl. Lovink 2011: S. 26). Auch (sicherlich auch kritisch zu betrachtende!) Argumente von Nicolas Carr sind an dieser Stelle zu erwähnen, der mittels den Ergebnissen zahlreicher Hirnforschungsstudien einen unmittelbaren Einfluss auf das menschliche Denken feststellt (vgl. 2010).

Zusammenfassend kann man bei Internetkommunikation nicht von Beiläufigkeit sprechen. Zwar sind die Motive vielleicht beiläufiger Natur, die Zerstreuung der Aufmerksamkeit ist aber alles andere als Beiläufig. Denn sie hat reale Konsequenzen.


Quellen
Carr, Nicolas (2010): wer bin ich wenn ich online bin ... und was macht mein Gehirn solange?. Wie das Internet unser Denken verändert. Blessing.

Graff, Bernd (2012): Das Echo der Geschwätzigkeit. URL: http://www.sueddeutsche.de/digital/kommunikation-im-internet-das-echo-der-geschwaetzigkeit-1.1557367, 17.03.2014

Geert Lovink (2011): Networks Without a Cause. A Critique of Social Media. Polity Press.




Donnerstag, 9. Jänner 2014
Eine reine technische Determinanz in Business Models im Mobile Commerce ist (aktuell) noch eher eine Rarität. Der Geschäftszweig hat sich in Europa, im Gesamten betrachtet, noch nicht als eigenständige Basis für Business Models in dem Sinne etabliert. Einer der wichtigsten Trends im Mobile Commerce ist die Nutzung mobiler Endgeräte als Zahlungsmittel. Hier ist, laut einer Studie von Zanox, der bisherige Anteil von Mobile-Commerce an den gesamten Umsätzen im E-Commerce bei 8,5 % (Q1). Entsprechend verwenden Firmen Mobile Commerce bisher eher als Ergänzung zum herkömmlichen E-Commerce.

Die technische Entwicklung und der zunehmende Gewohheitseffekt der NutzerInnen treibt das Mobile-Commerce aber zunehmend voran: Einerseits wächst der Wille der Firmen zur Etablierung, andererseits wächst auch die Bereitschaft und Akzeptanz der KonsumentInnen, Mobile-Commerce zu nutzen. So stellt Zanox im 2013 im Vergleich zum Vorjahr eine Umsatzsteigerung von 126 % in seinem Netzwerk fest, die Anzahl der Transaktionen über mobile Endgeräte stieg im Vorjahresvergleich um 81 % (Q1). Insofern wird es künftig notwendig werden, diesem Trend mittels eines umfassenden Multichannel-Management zu begegnen und v.a. Ängste bzgl. empfindlicher Themen wie Datenschutz aus dem Weg zu räumen (Q2).


Mobile-Commerce und technische Determinanz - zwei Beispiele

Coupies.de

In Bereich des Mobile Commerce als Zahlungsmittel stellen Mobile Coupons ein Geschäftsmodell dar, welches durchaus von den oben genannten technischen Determinanten abhängig ist - abgesehen davon, dass die Nutzung nicht unbedingt vom Ort abhängig ist und damit keine Schlüsselrolle einnimmt.

Bei mobilen Coupons handelt es sich um ein Gutscheinsystem am Handy. Coupies.de bietet hier drei verschiedene Varianten (Q4):
a) Cashback-Bons: Mittels Einscannen von Kassabons werden Gutschriften erstellt, die zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden können
b) Filial-Coupons: in der dazugehörigen App werden auf einer Karte lokale Angebote angezeigt, die in der Filiale durch Herzeigen eingelöst werden können
c) Online-Coupons: hier können Angebote in der App eingesehen werden und im Anschluss im online-Shop des jeweiligen Anbieters eingelöst werden.

Coupies.de erreicht nach eigenen Angaben derzeit ca. 3.5 Mio. User über den mobilen Kanal. Zielgruppe sind zum einen lokal ansässige Personen und regelmäßige EinkäuferInnen, zum anderen aber auch spontane BesucherInnen, die sich in der Gegend aufhalten (Q4, Q5, Q6).

Der Vorteil für werbende Unternehmen ist eine detaillierte Auswertung der Kampagnendaten, die tiefgreifende Marktforschungsergebnisse aufzeigen können. Neben den klassischen Einlösedaten (Anzahl der eingelösten Coupons) können Analysen auf Filialebene, Soziodemographie, Gerätenutzer oder exakter Einlösezeitraum durchgeführt werden (Q5).


Ticketkauf über Handy-App bei LINZ AG

Ein weiteres Modell, bei denen das mobile Endgerät zwar keine Voraussetzung für eine Geschäftsabwicklung darstellt, ist der mobile Ticketverkauf bei öffentlichen Verkehrsmittel. So ermöglicht eine App der Linz AG, Tickets für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Linz mobil zu kaufen. Diese mobile Variante ist stellt zwar keinen eigenen, abgetrennten Geschäftszweig dar, ist aber vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten mobile Commerce eine interessante Erweiterung.

Ein Problem ist, dass diese Möglichkeit momentan nur für Android-Nutzer verfügbar ist. Allerdings wird schon an Versionen für iPhone- und BlackBerry-NutzerInnen gearbeitet.




Quellen

Q1: zanox Mobile Performance Barometer 2013: M-Commerce in Europa weiter im Aufwind http://blog.zanox.com/de/zanox/2013/09/18/zanox-mobile-performance-barometer-2013-m-commerce-in-europa-weiter-im-aufwind/

Q2: http://www.youtube.com/watch?v=GPfQXyNJg1E

Q3: How M-commerce is changing the shopping experience http://www.youtube.com/watch?v=ClHLltQrAcA

Q4: Coupies.de http://www.coupies.de/wie_funktionierts

Q5: mobile zeitgeist: COUPIES legt nach im Mobile Couponing Feuerwerk. http://www.mobile-zeitgeist.com/2013/05/06/coupies-legt-nach-im-mobile-couponing-feuerwerk/?fb_source=pubv1

Q6: chip.de: Gutscheine aufs Handy http://business.chip.de/artikel/Mobile-Couponing-Neue-Kunden-und-treue-Fans-gewinnen_55467697.html

Q7: Linz AG: Jetzt neu! Ticketkauf über Handy-App http://www.linzag.at/portal/portal/linzag/linzag/linzag_1/news_1/news_2_p_14016




Dienstag, 31. Dezember 2013
Urheberrecht und Datenschutz sind an machen Stellen zwei konträre Angelegenheiten: Geht es in einem Rechtsgebiet darum, Rechtsfragen hinsichtlich geistigen Eigentums zu klären, beschäftigt sich das andere Rechtsgebiet in Hinsicht auf das Urheberrecht mit der Frage danach, ob es zulässig ist, potentielle Verstöße gegen das Urheberrecht aufzuspüren - denn gerade im Internet ist es mit technischen Möglichkeiten vergleichsweise einfach, Urheberrechtsverletzungen aufzuspüren (Q2, Q3).

Abgesehen von dieser etwas paradoxen Konstellation sind rechtliche Fragen im Web auch eine sehr komplizierte Sache: Im Urheber- und Datenschutzrecht vermischen sich technische Aspekte mit rechtlichen Fragen und z.T. auch Fragen der Ästhetik. Es entsteht ein regelrechter Dschungel an Gesetzesebenen, Geltungsbereichen, technischen Fragen und Möglichkeiten und Definitionen. Daher wirkt im Hinblick auf die Auffassung, dass Web 2.0 zum Ausdruck brächte, dass die Zukunft des Internets den Usern gehöre, die das Internet auch mit Inhalten füllen, der Hinweis auf das Urheberrecht in diesem Zusammenhang oft angestaubt (Q4). Aber nicht nur das ?Web 2.0? an sich, auch neuere Phänomene wie Cloud-Computing exemplifizieren, mit welchen Problemfeldern das geltende Recht in Hinsicht auf Webtechnologien konfrontiert wird.


Cloud-Computing, Urheberrecht und Datenschutz

Rechtlich gesehen ist die Basis der Verbindung zwischen NutzerInnen und AnbieterInnen bei Cloud-Diensten ist ein Vertragsverhältnis. In diesem Vertrag werden urheber- und datenschutzrechtliche Aspekte abgeklärt. Die Präzision dieser Aspekte lässt aber zu wünschen übrig. Das erste Problem datenschutzrechtlicher Natur, das hier ins Auge sticht ist: Welches Landesgesetz gilt? Bei personenbezogenen Daten z.B., die in Europa geschützt werden, gestaltet sich diese Frage in Hinsicht auf außereuropäische Anbieter relativ unsicher. Da dortige (z.B. in den USA) Datenschutzbestimmungen nicht den europäischen entsprechen, gibt es keine Pauschallösung für die Behandlung datenschutzrechtlicher Probleme (Q1).

Das zweite Problem bezieht sich auf das Urheberrecht der gespeicherten Dateien. Grundsätzlich ist es hier so, dass sich die Bestimmungen je nach Anbieter unterscheiden. Im Fall von Dropbox bleibt der Nutzer alleiniger Inhaber der Rechte an den Dateien. Trotzdem ist zu beachten, dass auch bei der Nutzung von Dropbox zumindest die für das Betreiben des Services notwendigen, eingeschränkten Rechte auf den Betreiber übertragen werden (Q1, Q2). Google Drive wird unter anderem das Recht eingeräumt, die Inhalte technisch zu vervielfältigen und die Daten öffentlich zugänglich zu machen, sofern eine öffentliche Zugänglichmachung durch den Nutzer beabsichtigt wird oder ausdrücklich eine solche Zugänglichmachung bestimmt wurde (Q2). Apple iCloud lässt sich hier an den hochgeladenen Inhalten ein weltweites einfaches Nutzungsrecht einräumen, allerdings nur, soweit dies nötig ist, um den Dienst zu betreiben (Q2). Daher wird in Bezug auf in der Cloud gespeicherte Dateien immer wieder darauf hingewiesen, so wenig wie möglich und so viele wie nötig abzuspeichern.

Problematisch aus urheberrechtlicher Sicht wird das Cloud-Computing auch, wenn ein/e NutzerIn Werke einer anderen Person in der Cloud speichert. Verfügt der/die NutzerIn nicht über diese Rechte, liegt eine Urheberrechtsverletzung vor. Nach einigen Nutzungsbedingungen von Cloud-Computing Anbietern droht ihm dann die Kündigung seines Vertrages. (Q3, Q4). Anders ausgedrückt gilt auch hier, wie so oft im Internet: Selber machen ist erlaubt, die Rechte anderer und fremde Inhalte sind zu wahren.


Creative Commons Lizenzen als eine Mögliche Lösung?

Angesichts dieser recht komplexen Gegebenheiten stellt sich die Frage, ob nicht Creative Commons-Lizenzen eine (Teil)Lösung dieser rechtlichen Problemfelder darstellen. Generell sind ?Creative Commons (CC) eine Non-Profit-Organisation, die in Form vorgefertigter Lizenzverträge eine Hilfestellung für die Veröffentlichung und Verbreitung digitaler Medieninhalte anbietet.? (Q5) CC bieten dabei sechs verschiedene Standard-Lizenzverträge an, die bei der Verbreitung kreativer Inhalte genutzt werden können, um die rechtlichen Bedingungen im Vorhinein festzulegen. dabeiu versprechen CC, wenn die Inhalte CC-lizenziert sind, es diese rechtlichen Unsicherheiten nicht mehr gibt. (Q5)

Allerdings tut sich auch hier ein wesentliches Problem auf. Das Stichwort lautet dabei ?Lizenzänderung?. Denn wenn CC-Lizenziertes Material genutzt und das auch angeben wird, hat man insofern eine Unsicherheit, als der Urheber an der Quelle irgendwann die Lizenzangabe mit einem Mausklick ändert (Q1).


Recht und Web - eine fruchtbare Kombination?

In Bezug auf diese recht fragmentierten Ausführungen bleibt am Ende ein recht philosophischet und systemtheoretisch angehauchtet Gedanke: Ist Recht überhaupt in der Lage ein Phänomen wie das Web mit seiner Logik und seinen Instrumenten zu fassen? Hat ein grundlegendes gesellschaftliches Teilsystem wie das Recht überhaupt die Ressourcen und Möglichkeiten, hier Regeln, Prozesse und Verstöße innerhalb des Webs und Internets zu formulieren, zu beschreiben und festzulegen?

Eine recht umfassende Frage - aber vielleicht liegt die Lösung aber auch an einer anderen Stelle. In diesem Sinne möchte ich am Ende dieses Beitrages ein Zitat von Gorrfried Honnefelder, dem Vorsteher des deutschen Börsevereins des Deutschen Buchhandels setzen: ?Die Gesellschaft braucht kein neues Urheberrecht ? sie braucht Regeln für die Freiheit im Netz?.


Quellen

Q1:http://leanderwattig.de/index.php/2011/11/27/probleme-beim-umgang-mit-dem-urheberrecht-am-beispiel-der-web-plattform-pinterest/
Q2: http://www.e-recht24.de/artikel/blog-foren-web20/7115-rechtssicher-in-der-cloud-ihre-daten-bei-dropbox-icloud-google-drivea-co.html
Q3: http://www.rechtambild.de/2012/12/teil-4-urheberrecht/
Q4: http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/UrheberrechtInternet
Q5: http://de.creativecommons.org/was-ist-cc/




Montag, 30. Dezember 2013
Ich möchte hier weder versuchen, die These zu untermauern, noch sie zu Fall zu bringen. Denn aus meiner Sicht handelt es sich bei der beschriebenen Problemstellung um ein typisches Henne-Ei Problem: bestehende Technologie schafft bzw. fördert neues Verhalten/neue Trends, andererseits entstehen aus Technologien heraus auch erst gewisse Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Trends in einer Gesellschaft. Auch beeinflussen sich diese beiden Pole wechselseitig.

Ein sicher spezifisches Beispiel, welches an dieser meine Sicht auf dieses Henne-Ei-Problem präzisieren kann, habe ich bereits in einem früheren Blogbeitrag beschrieben. Dabei ging es um politische Macht im Internet. Ich habe darin dargelegt, dass einerseits Internet- und Webtechnologien von Machthabern dazu benützt werden, ihre Macht zu erhalten - Stichwort: NSA-Skandal. Auf der anderen Seite wird, wie auch Peter Kruse in der Enquete im Deutschen Bundestag hinweist, durch das Web Macht hin zu Personen ohne bestehender politischer Macht (vgl. Q2). Ein gutes Beispiel für seine Ausführungen wäre die Rolle von Twitter im arabischen Frühling. Einer Studie von Starbird et al. zufolge wurde Twitter im Zuge der Proteste als Informations- und ?Solidaritäts?medium/-instrumentarium verwendet. In diesem Nutzungskontext spielte es zwar keine unverzichtbare, dafür aber wichtige und unterstützende Rolle für den Erfolg der Proteste (vgl. Q1).

Dieses Beispiel der Rolle von Webtechnologien in politischen Machtkämpfen verdeutlicht im Hinblick auf die eingangs erwähnte These eines: Und zwar, dass man hier nicht eindeutig sagen kann, ob nun technologische Entwicklungen oder das Verhalten/die Trends einer Gesellschaft diese Phänomene im Web hervorgebracht haben. Im Falle des NSA-Skandals wurden neue Technologien geschaffen, um eine umfassende Überwachung zu gewährleisten. Seit dem aber dieser Skandal bekannt wurde, ändert sich die Sensibilität für online-Überwachungsthemen. Genau umgekehrt ist es aber im Falle des arabischen Frühlings: Hier wurde eine bestehende Technologie für Protestzwecke ?zweckentfremdet? genutzt. Damit wurde einer bestehenden Technologie über das Verhalten einer Gesellschaft eine neue Rolle zugeschrieben. Diese beiden Vorkommnisse ziehen dann wiederum technologische Entwicklungen/neue Verhaltensweisen/Trends hervor, die wiederum Einfluss üben. Somit kann man nicht eindeutig sagen, was nun zuerst war: die Technologie oder die Gesellschaft? Henne oder Ei?

Was am Ende bleibt sollte daher nicht nicht die Frage sein, inwiefern das Verhalten von Menschen Technologie beeinflusst oder umgekehrt. Viel grundsätzlicher geht es aus meiner Sicht um die Frage, welche Bedürfnisse hinter der Nutzung stehen. Weil diese geben wahrscheinlich mehr Aufschluss über solche Beeinflussungsphänomene als die direkte Frage, welcher der beiden Pole hier was mehr Einfluss hat.


Quellen
Q1: Starbird, Kate; Palen, Leysia (2012): (How) Will the Revolution be Retweeted? Information Diffusion and the 2011 Egyptian Uprising
Q2: http://www.youtube.com/watch?v=sboGELOPuKE




Donnerstag, 26. Dezember 2013
Geschäftsmodelle (Business Models) sind Modelle, die in vereinfachter Form jene Prozesse abbilden, wie welche Ressourcen in ein Unternehmen fließen, wie diese durch den innerbetrieblichen Prozess der Leistungserstellung in Produkte und Dienstleistungen transformiert werden und wie diese Produkte und Dienstleistungen schließlich an den Endkunden vertrieben werden (vgl. Timmers 1999, S. 31, Wirtz 2001, S. 211 und Petrovic et al., 2001: S. 3). Sie beschreiben damit prägnant und doch aussagekräftig das Wesentliche eines ganzen Unternehmens, stellen also eine Aggregation wesentlicher Aspekte aus betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen dar. Damit geben sie einen kompakten Überblick und sind eine Art künstliche Repräsentation der Wirklichkeit (Schwickert, 2004: S. 3 und Petrovic et al., 2001: S. 3).

Neben dieser Begriffsabgrenzung wird unter dem Begriff "Electronic Business" die Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse, d.h. Leistungsaustausch mit Hilfe öffentlicher oder privater Kommunikationsnetze/Computernetze, zur Erzielung einer Wertschöpfung verstanden. In diesen Prozessen können Privatpersonen, Unternehmen oder Administrationen einerseits als Leistungsanbieter, als auch als ?nachfrager auftreten (Meier & Stormer, 2005: S. 22 und Schwickert, 2004: S. 3). Innerhalb des Electronic Business-Begriffs lassen sich folgende Basis-Geschäftsmodelle unterscheiden (vgl. dazu Wirtz 2001, S. 230ff):

Commerce
Das Modell Commerce umfasst die Anbahnung, Aushandlung und/oder Abwicklung von Geschäftstransaktionen. Ziel ist die Unterstützung oder Substitution einer oder sämtlicher Phasen einer marktlichen Transaktion durch das Internet - wobei das Internet die Distribution bei physischen Gütern (natürlich) nur unterstützen kann (vgl. Schwickert, 2004: S. 6). Während die Distribution bei digitalen Produkten bzw. informationsbasierten Leistungen direkt über das Internet erfolgen kann, ist bei physischen Produkten insbesondere die Frage der Logistik zu klären. Sie hat sich mittlerweile zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Electronic Business herausgebildet. Eine besondere Rolle spielen innerhalb dieses Modells die Phasen der Anbahnung und Vereinbarung, da hier die Potenziale zu einer Kostensenkung durch das Internet besonders hoch sind.
Beispiel: Amazon (www.amazon.de)

Content
Hier geht es um Sammlung, Selektion, Systematisierung, Zusammenstellung und Bereitstellung von Inhalten. Bei den Inhalten kann es sich um Informationen, Bildungsangebote oder auch Unterhaltungs- oder Urlaubsangebote usw. handeln. Ziel ist es, den Nutzern diese Inhalte in personalisierter, einfacher, übersichtlicher und bequemer Art über das Internet zugänglich zu machen.
Beispiele: allgemeine Nachrichten wie z.B. Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften, spezielle Nachrichten für bestimmte, i.d.R. kleinere Zielgruppen; verschiedene Möglichkeiten der Online-Weiterbildung und des Online-Lernens

Connection
Dieses Geschäftsmodell zielt darauf ab, die erforderliche Infrastruktur für einen Informationsaustausch zwischen den Transaktionspartnern anzubieten. Dabei kann es sich um technische Infrastrukturleistungen (z. B. Zugang zum Internet durch Internet Service Provider), kommerzielle Dienstleistungen (z. B. Online-Banking) oder um kommunikative Dienstleistungen (z. B. das Angebot von Diskussionsplattformen, E-Mail oder Communities) handeln.
Beispiele: Yahoo! (www.yahoo.de) angebotene E-Mail-Dienst, Mailinglisten wie www.webgrrls.de oder Communities wie die Finanz-Community Bizcity www.bizcity.de.

Context
Gegenstand dieses Geschäftsmodells ist die Klassifikation und Systematisierung der im Internet verfügbaren Informationen. Sie werden auf der Basis spezifischer Anfragen im Internet gesucht, nutzerorientiert aufbereitet und dem Nutzer am Ende entsprechend präsentiert. Ziel dieses Konzeptes ist es, die Markttransparenz zu verbessern und dem Nutzer eine Orientierungshilfe auf dem Internet zur Verfügung zu stellen, in dem die im Internet verfügbaren Informationen durchsucht und gefiltert werden und der Nutzer somit auf logisch aufgebaute und strukturierte Informationen zugreifen kann.
Beispiel: Anbieter von Suchmaschinen wie Google

Sharing
Ein neuer Trend, der sich hinsichtlich ökonomischer Transaktionen abzeichnet, ist das sogenannte ?Sharing?. Dabei werden keine Güter verkauft, sondern nur ?verliehen?. Dieses Verleihen kann einerseits das Verleihen von physischen Gütern sein, aber auch das Verleihen von digitalen Gütern (z.B. Streaming von Musik oder Filmen gegen eine geringe Gebühr), weshalb es gerade für Bereiche im Electronic Business interessant wird: Durch die niedrigen Transaktionskosten, die durch die Internettechnologie entstehen, können die Nutzungsrechte für digitale Güter wie Filme oder Musik über einen gewissen Zeitraum zur Verfügung gestellt werden (vgl. Q1)

Allerdings werden auch kritische Stimmen rund um die Sharing-Economy laut. Kritikpunkte richten sich hier v.a. auf die angeblich positiven Gedanken hinter der Sharing Economy: So beruhe der Erfolg von Firmen wie Airbnb oder Uber nicht auf Nächstenliebe oder, wie es die Rhetorik der Firmen vorgibt, auf ihrem Interesse daran, ?neue Leute kennenzulernen?, sondern vielmehr daraus, dass die Informationstechnik von heute Lebensbereiche erschließt, die bisher für eine Kommerzialisierung uninteressant waren. In diesem Verständnis wäre die Sharing Economy nichts anderes als eine totale Dienstleistungsgesellschaft ? entsprechend bezeichnet der Theoretiker Evgeny Morozov die Sharing Economy als ?Neoliberalismus auf Steroiden?. Dass es ums Teilen geht, sei eine große Lüge der Sharing Economy, es geht um Tausch. Und wnn das System perfektioniert wird, lässt sich womöglich bald auch mit jenen heute noch selbstverständlichen Gefälligkeiten Geld verdienen (Q8)


Quellen
Q1: http://minnesota.publicradio.org/display/web/2013/08/12/daily-circuit-sharing-economy
Q2: http://www.minnpost.com/thirty-two-magazine/2013/06/next-new-economy
Q3: http://www.youtube.com/watch?v=AQa3kUJPEko
Q4: Meier, Andreas; Stormer, Henrik (2005): eBusiness & eCommerce. Management der digitalen Wertschöpfungskette. Springer: Wiesbaden.
Q5: Petrovic, Otto; Kittl, Christian; Teksten, Ryan Dain (2001): Developing Business Models for Ebusiness (October 31, 2001). Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=1658505
Q6: Schwickert, Axel C. (2004): Geschäftsmodelle im Electronoc Business ? Bestandsaufnahme und Relativierung. In: Arbeitspapiere WI, Nr. 2/2004. Universität Gießen.
Q7: Staun, Harald (2013): Der Terror des Teilens, in: FAZ, 22.12.2013 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/shareconomy-der-terror-des-teilens-12722202.html
Q8: Weinhardt, Christof; Blau, Benjamin; Conte, Tobias, Filipova-Neumann, Lilia; Meinl, Thomas; Michalk, Wibke (2011): Business Aspects of Web Services. Springer: Wiesbaden.
Q9: Wirtz, Bernd W. (2001): Electronic Business, 2. Aufl., Gabler Verlag: Wiesbaden




Dienstag, 24. Dezember 2013
Design
Zuerst habe ich das Design meines Blog geändert. Unter dieser Homepage (http://layouts.antville.org) kann man sich verschiedenste Designs für den collabor-Lernblog als .zip-Datei downloaden.
Im Anschluss geht man auf den persönlichen Blog. Unter dem Menüpunkt "Admin" klickt man auf "Layouts", im Anschluss auf "Layout importieren". In der leeren Zeile gibt man den Standort der vorher geladenen Layout-.zip-Datei an, mit einem Klick auf ?import? scheint das nun importierte Layout, neben dem Standard-Layout in einer Liste auf und kann nun ausgewählt und damit aktiviert werden.

Twitter Widget
Um ein Twitter-Widget einzufügen, geht man zunächst auf die Twitter-Homepage (twitter.com). Dort findet man unter "Einstellungen" (Zahnrad rechts oben) den Menüpunkt "Widgets". Hier können verschiedene Arten von Widgets ausgewählt werden, in unserem Fall haben wir die Widget-Sorte "Suche" verwendet. Mithilfe dieses Widgets können Tweets zu einem bestimmten Hashtag (in unserem Fall #webwi) angezeigt werden. Hat man alle gewünschten Parameter so eingegeben, wie gewünscht klickt man auf "Widget erstellen". In dem Kästchen unter der Vorschau dann ein Code-Schnipsel angezeigt, welchen man sich kopiert.

Nun geht es darum, dieses Widget in den Blog einzubauen. Am Blog findet man unter dem Menüpunkt "Admin" den Link zu "Layouts". In "Layouts" klickt man bei dem aktiven Layout wiederum auf "Skins", im Anschluss "Site Layout", danach "Main Page". Hier kann man den Quellcode des Blogs sehen und diesen nach Wunsch verändern. Ich wollte mein Twitter-Widget in die Leiste am linken Rand reingeben, wozu ich mir zunächst jene Stelle im Quellcode rausgesucht habe, die dieses Kästchen repräsentiert (Beginn bei
Suche
). Dort habe ich als erstes die Reihenfolge der einzelnen Menüpunkte nach persönlichen Vorstellungen verändert und den Twitter-Widget an die zweite Stelle entlang der Leiste gesetzt. Vorher habe ich noch eine Kopfzeilencodierung kopiert und den Text durch "Twitter" ersetzt, damit das Widget besser ins Gesamtbild passt. Nach dieser Kopfzeilencodierung habe ich dann die von der Twitter-Page generierte Codeschnipsel eingefügt. Speichern und aktualisieren - et voilà: ein anschließender Besuch am Blog und das Twitter-Widget ist eingefügt! :)




Datenbanken stehen, wie Beitrag von Mittendorfer dargelegt, in einer intensiven Verbindung mit politischer Macht. Informationen systematisch zu sammeln, zu sortieren und daraus mitunter politisch relevante Konsequenzen zu ziehen wird im gegenwärtigen Informationszeitalter zu einem immer wichtiger werdenden Machtfaktor. Damit kann nicht nur ein Einfluss auf bestehende Informationssysteme genommen, sondern auch eine systematische und neuartige Überwachung potentieller GegnerInnen gewährleistet werden. Diese Aspekte münden in einer Form von Machterhaltung, in der sich die Interessen einer machterhaltenden Gesellschaftsschicht widerspiegelt.

Gerade der Skandal rund um die National Security Agency (NSA) markiert hier einen Punkt im Internetzeitalter, an dem der immense politischer Einfluss, das damit einher gehende Überwachungsinteresse von Staaten und das daraus ableitbare Machtpotential von Regierungen deutlich wird. Mithilfe des Programms PRISM wird vom amerikanischen Geheimdienst der Großteil des US-Internet- und auch Telefonverkehrs systematisch auf geheimdienstlich verwertbare Informationen durchkämmt (Q1, Q2). Im Zuge dieser systematischen Überwachungsvorgänge sind auch Konzerne wie Microsoft, Google, Yahoo!, oder auch Facebook beteiligt, die verschiedenste Daten rund um ihre NutzerInnen zur Verfügung stellten - oder zur Verfügung stellen mussten. Kürzlich wurde auch bekannt, dass auch Millionen von persönlichen Adressbüchern ausspioniert wurden, um eventuelle Verbindungen zwischen Personen nachzuweisen (Q6). Dieses Phänomen wurde wesentlich durch ein Gesetz legalisiert, welches die Bush-Regierung 2007 verabschiedete, welches das ?warrantless tapping?, also das Mithören ohne Gerichtsbeschluss, erlaubt (Q3).

Was könnten aber die Motive hinter dieser ungemein aufwändigen und hohe Summen an Steuergeldern verschlingenden, systematischen staatlichen Überwachung sein? Offenbar, Amerkia zu "beschützen" - immerhin wird im "Protect America Act" offiziell die Überwachung von "NichtaerikanerInnen im Zusammenhang mit Terrorismus" zugestanden, was sich aber in der Praxis als sehr schwammig herausstellt, da diese Unterscheidung gerade im Internet sehr relativ ist. Grundsätzlich werden z.B. EU BürgerInnen auch nicht vor der US-Spionage geschützt. Ein Hinweis darauf ist auch, dass nach Angaben die Gesetzesgrundlage für diese Form der Überwachung mit dem "Patriot Act" nach dem ersten September 2001 geschaffen wurde. So scheint es, dass die Hauptmotive dahinter zu einem wesentlichen Teil im Schutz der Nation vor Terrorbedrohungen alá USA liegt. Laut Hansel ist z.B. die virale Distribution von Geheimdokumenten ein Grund dafür, dass so etwas wie eine sicherheitspolitische ?Schale? eines Staates unterlaufen wird (Q8: S. 84).

Allerdings gehen mit dieser (auf naive Weise positiv kommunizierte) Form der Überwachung auch viele Gefahren einher: einerseits besteht der gefährliche Beigeschmack von Pauschalverdächtigungen, andererseits birgt sie die Gefahr beliebiger Verdächtigungen, die sich aus der immensen Datenmenge ?on demad? ableiten und zusammeninterpretieren lassen ? ganz nach dem Motto: Wenn man was finden will, findet man auch was.

Das Bewusstsein über diese potentielle Macht und dem damit verbundenen physischen Gewaltmonopol des Staates schränkt in Folge das eigene Verhalten im Netz empfindlich ein. Das Internet verwandelt sich zu einem Ort des Misstrauens: Plötzlich denkt man darüber nach, welche Begriffe man googelt oder was man auf Amazon bestellt. Ein perfekter Vergleich aus der Sozialphilosophie dafür wäre übrigens das oft von Foucault erwähnte Konzept ?Panopticon? von Bentham: In dem von Bentham entworfenen Gefängnis, in dem die Gefangenen nie genau wissen, ob sie beobachtet werden oder nicht, erübrigt sich jegliche direkte Kontrolle; das Wissen darüber, dass jederzeit jemand das persönliche Verhalten beobachten könnte, diszipliniert (vgl. Q7: S. 256). ?Die Sichtbarkeit ist die Falle? (Q7: S. 257).

Abgesehen von dieser mit riesigem Ressourceneinsatz in Verbindung stehenden Überwachungssystem und der damit verbundenen Unbehaglichkeit und indirekten Disziplinierung in der Internetnutzung, verschieben sich die Machtverhältnisse durch das Internet aber, wie Kruse in einer Rede im deutschen Bundestag verdeutlicht. Aus der Perspektive der Systemtheorie ist das interaktive Internet in der heutigen Form ein nicht-lineares, nicht-hierarchisches dichtes Netzwerk, welches von nicht spontanen, kreisenden Erregungen (?Rückkopplungen?) durchzogen ist. Darüber hinaus besitzen solche Systeme eine Tendenz zur Selbstaufschaukelung. Die Auswirkungen und Intensität solcher kreisenden Erregungen funktionieren nicht nur nach wesentlich anderen (kybernetischen) Prinzipien als bestehende Systeme in Politik und Wirtschaft, sondern sind darüber hinaus auch nicht abschätz- oder prognostizierbar. Vielmehr muss mit solchen Systemen interagiert werden, um ein Gefühl für die Resonanz selbiger auf bestimmte Reize zu entwickeln. Damit geht eine reale Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager ? oder im politischen Sinne: von politischer Ebene auf Ebene der BürgerInnen ? einher. Daraus folgert er, dass ?wir? (er meint wahrscheinlich den Deutschen Bundestag?) einen anderen Umgang mit dem Begriff Macht brauchen, weil sich die Macht aus systemtheoretischer Perspektive eben revolutionär geändert hat (Q4, Q5). Hansel erwähnt passend dazu: ?Das Netz lässt uns auf den ersten Blick weder Grenzen erkennen noch den Einfluss physischer Macht. Sind Staaten daher ein Ordnungsmodell der Vergangenheit? Ist staatliche Herrschaft überhaupt denkbar im Cyberspace?? (Q8, S. 84f).

In diesem Moment steckt ein interessanter Aspekt: Vielleicht steckt gerade in dieser theoretischen Feststellung von Kruse, in der beschriebenen Unberechenbarkeit des Systems Internet jener Moment, der für Menschen in politischen Machtpositionen eine Bedrohung darstellt- und der sie dazu motiviert, gleich den ganzen Datenverkehr systematisch zu überwachen. Hier wird systematisches Datensammeln und eine bedarfsorientierte Auswertung selbiger interessant ? wobei es laut Kruse genau der falsche Weg ist. Vielmehr wird ein hohes Maß an ?Kulturforschung? notwendig, also eine Empathie für die Dynamik dieser neuartigen Systeme, um die Reaktionen besser verstehen zu können - und nicht die totale Überwachung des Internets.

Schlussfolgend kann man also festhalten, dass Internet mit vor dem Hintergrund aktueller Überwachungsskandale unübersehbar mit politischer Macht in Verbindung steht. Interessant ist aber, dass politische Macht in Ihrer ?klassischen? Form durch das Internet und Web insoweit relativiert wird, als Menschen in politischen Machtpositionen mit der eigenen, linear-hierarchischen Auffassung auf politische Macht konfrontiert und zu kommunikativen und partizipartiven Maßnahmen gezwungen werden. Das Internet hat damit zwar die politische Macht zumindest in technischer Hinsicht erhöht, auf der anderen Seite aber insofern relativiert, als dieser Machtzuwachs auf beiden Seiten ablesbar wird.

Quellen
Q1: http://derstandard.at/1369362942807/Geheimprogramm-PRIS-US-Regierung-zapft-Rechner-von-Internet-Firmen-an
Q2: http://www.theguardian.com/world/2013/jun/06/us-tech-giants-nsa-data
Q3: http://www.sueddeutsche.de/digital/prism-programm-der-nsa-so-ueberwacht-der-us-geheimdienst-das-internet-1.1690762-2
Q4: http://www.youtube.com/watch?v=sboGELOPuKE
Q5: http://www.youtube.com/watch?v=HldaHeAQy1A
Q6: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/nsa-sammelt-millionenfach-adressen-aus-e-mail-accounts-a-927830.html
Q7: Foucault, Michel (1994): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Q8: Hansel, Mischa (2011): Internationale Beziehungen im Cyberspace. Macht, Institutionen und Wahrnehmung. Wiesbaden: Springer Verlag.